Im Zürcher Unterland soll ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle entstehen. Die Nagra hat heute Dienstag die Pläne dazu eingereicht.
Damit würden die strahlenden Brennstäbe eine Million Jahre lang im Boden eingeschlossen. Für den Physiker Harald Jenny ist das Konzept eines Endlagers veraltet. Als Alternative schlägt er zum Beispiel die Transmutation vor, eine Art Recycling von Uran. Hier erklärt Harald Jenny, wie das funktionieren soll.
SRF News: Sie sind vehement gegen ein Tiefenlager, weil es von gestern sei und es gute Alternativen gebe. Welche?
Harald Jenny: Die Technik macht gewaltige Fortschritte, auch im Bereich der atomaren Abfälle. In Genf baut ein Unternehmen bereits an einer Pilotanlage. Diese soll Abfälle in weniger gefährliche Materialien umwandeln.
Heute kann niemand voraussagen, ob sich in einigen Tausend Jahren noch jemand an die vergrabenen Abfälle erinnert.
Als Physiker bin ich überzeugt, dass wir in einigen Jahrzehnten keine Deponie mehr brauchen, sondern auf alternative Lösungen zählen können. Etwa die Transmutation. Sie erlaubt uns, mit dem Material etwas Sinnvolles zu machen, weil das Material wie durch eine Art Recycling geht und in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann.
Sie sprechen die Transmutation an: Wie funktioniert diese Methode?
Bei der Transmutation wird das radioaktive Material mit hochenergetischen Strahlen beschossen. Dadurch zerlegt es sich in neue, weniger gefährliche Elemente. Weniger gefährlich deshalb, weil sie nach dieser Behandlung viel weniger lang und weniger stark radioaktiv sind. Im Gegensatz zum Tiefenlager strahlt das Material nach der Transmutation nicht eine Million Jahre, sondern noch einige Hundert Jahre lang. Die Strahlung wird also deutlich schwächer und kürzer.
Einige Hundert Jahre ist dennoch sehr lange. Welchen Vorteil hat die schwächere und kürzere Strahlungszeit?
Der kürzere historische Zeitrahmen ist wichtig. Heute kann niemand voraussagen, ob sich in einigen Tausend Jahren noch jemand an die vergrabenen Abfälle erinnert. In einigen Hundert Jahren hingegen ist das viel eher möglich.
Wenn die Transmutation so viel besser ist, wie Sie sagen, warum wird das nicht längst vorangetrieben?
Weil diese Technologie noch ganz neu ist. Um schneller voranzukommen, müsste man wesentlich mehr Geld in die Forschung investieren, statt es in einem Tiefenlager zu vergraben. Ich plädiere dafür, einen Wettbewerb zu machen zwischen Forschungsanstalten und privaten Unternehmen, finanziert vom Bund.
Für die Nagra sprechen einige Gründe gegen die Transmutation. Ein Grossteil des radioaktiven Materials etwa lasse sich nicht rezyklieren. Zudem entstehe auch bei der Transmutation Atomabfall. Deshalb brauche es weiterhin ein Tiefenlager. Was sagen Sie dazu?
Die Transmutationsforschung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass es in Zukunft weitere, noch intelligentere Lösungen gibt. Eine solche könnte sein, dass es zum Einschliessen der strahlenden Brennstäbe gar kein Tiefenlager mehr braucht. Das Material könnte dann zum Beispiel in einem neuen Reaktorkonzept wieder genutzt werden.
Eher in die Spassecke gehören wohl immer wieder gehörte Alternativen wie Abfälle in Vulkane kippen, ins Weltall schiessen oder über dem ewigen Eis abwerfen, oder?
Das ist Unsinn. Es funktioniert nicht. Statt solcher Fantasien braucht es substantielle, wissenschaftlich machbare Alternativen.
Das Gespräch führte Ruth Wittwer.