Berge von Altkleidern türmen sich in einer früheren Industriehalle im Norden von Basel. Rund fünf Tonnen sind es; das meiste davon kam an nur einem Wochenende in Quartier-Sammelcontainern zusammen. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern macht sich daran, im Rahmen eines Pilotprojektes zu sortieren: Hosen, Schuhe, T-Shirts, Frottee...
Es ist verrückt, was alles weggeworfen wird.
«Es ist alles in relativ guter Qualität, ich bin ziemlich überrascht», sagt die 17-jährige Aline Madörin. Manches ist sogar ganz neu, ungetragen. Der 22-jährige Noë Zimmermann staunt: «Es ist verrückt, was alles weggeworfen wird.» Die Gruppe ist vom Fach: Sie absolviert die Ausbildung zur Bekleidungsgestalterin oder -gestalter.
«Die Menge ist erschreckend», sagt Anna Cordasco, Co-Leiterin des Vereins fair fashion factory, der das Sortier-Pilotprojekt organisiert hat. Die meisten der Kleider seien sogenannte Fast Fashion, Billigmode. Vieles bestehe aus Kunstfaser-Stoffen, wenig sei hochwertig. Der Erfolg chinesischer Onlinehändler ist auch hier sichtbar.
Studie für regionalen Kleider-Kreislauf
Das Pilotprojekt soll nicht nur quantifizieren, was genau in welcher Qualität anfällt. Gesucht sind auch mögliche Abnehmer, darunter Secondhand-Läden, Kleider-Designerinnen und -Designer oder Plastik-Recyclingfirmen. Eine Machbarkeitsstudie soll dann dem Kanton Optionen vorschlagen. Das Ziel: Kleider sollen möglichst lokal im Kreislauf bleiben, mit langer Nutzung, kurzen Wegen und möglichst wenig Abfall.
Basel-Stadt will der umweltschädlichen Altkleider-Wirtschaft nicht mehr tatenlos zusehen, sondern «mehr Verantwortung übernehmen», sagt Timo Weber, Leiter Abfall und Rohstoffe im kantonalen Amt für Umwelt und Energie. Es gebe zu viele negative Einflüsse, neben ökologischen auch auf die Wirtschaft anderswo, und die Transparenz fehle.
Zu viele Kleider würden gekauft, aber nie getragen, sagt Weber. Der Kleiderkonsum müsse bewusster und die Wiederverwertung gestärkt werden. Das ist dem Kanton einen Beitrag von 16'000 Franken ans Pilotprojekt samt Studie wert – dessen Budget liegt bei rund 20'000 Franken plus Eigenleistungen, und Tell-Tex liefert die Altkleider gratis.
Was künftig mit Basler Altkleidern passiert, sei noch offen. Weber hält zentrale kantonale Sammelstellen für denkbar, oder auch eine städtische Kleidersammlung per Sack.
Die Recycling-Statistik der Basler Haushalte erfasst Textilien seit 1997; der Höhepunkt wurde 2015 mit 1079 Tonnen registriert. Seither sinken die Mengen trotz eines Trends zu mehr Kleidern im Schrank; 2022 waren es noch 672 Tonnen. Warum ist unklar; allerdings haben manche Firmen ihre Strassensammlungen eingestellt.
Einen Schritt weiter ist die Stadt Zürich. Diese hat im Dezember einen Auftrag für die Sortierung und Verwertung der Alttextilien öffentlich ausgeschrieben, nach eigenen Angaben eine Premiere. Basel ist laut Weber gespannt, ob Offerten eingehen für so eine Aufgabe – und ob das Geld einbringt oder kostet.
Wir müssen wieder einen Bezug bekommen zu dem, was wir tragen.
Anna Cordasco möchte auch sensibilisieren: «Wir müssen wieder einen Bezug bekommen zu dem, was wir tragen. Wie es gut ist zu wissen, dass die Milch von der Kuh kommt, ist es auch gut, wenn man weiss, dass man jetzt gerade Wolle trägt, oder Synthetik oder Baumwolle – und was dahinter steckt, dass aus dieser Faser ein Kleidungsstück wurde.» Offenbar klappt das: Schon die Resonanz auf das Pilotprojekt sei riesig.