Ein Grossteil der ukrainischen Kriegsflüchtlinge bezieht Sozialhilfe in der Schweiz. Die Regeln sind für sie weniger streng als für Geflüchtete aus anderen Ländern oder für Einheimische. Am augenfälligsten ist das beim Auto: Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S dürfen ihre Autos frei nutzen und behalten – ohne dass ihnen deswegen die Sozialhilfe gekürzt wird.
Wir gingen am Anfang davon aus, dass das Fahrzeug wichtig ist für die Rückkehr in die Ukraine.
Dieses Privileg habe lange Sinn ergeben, sagt der Obwaldner Regierungsrat Christoph Amstad: «Wir gingen am Anfang davon aus, dass das Fahrzeug wichtig ist für die Rückkehr in die Ukraine», sagt der Vizepräsident der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK. Jetzt zeige sich aber, dass der Krieg länger dauere.
Deshalb hat der Vorstand der SODK als Empfehlung beschlossen: Nach zwölf Monaten in der Schweiz müssen ukrainische Flüchtlinge ihre Autos verkaufen. Wenn sich das wegen der Kosten für die Verzollung nicht lohnt, können die Kantone verlangen, dass die ukrainischen Autobesitzer ihr Kontrollschild hinterlegen.
Verkaufen oder Nummernschild abgeben
Sozialhilfe beziehen und das eigene Auto frei nutzen – das also soll ein Jahr nach Ankunft in der Schweiz nicht mehr möglich sein. Ausnahmen sehen die Kantone vor, wenn das Auto unbedingt nötig sei für den Job oder aus gesundheitlichen Gründen.
Es gehe um Gleichbehandlung mit allen anderen Sozialhilfe-Bezügern, sagt Kantonsvertreter Amstad. Die SODK reagiere auch auf Diskussionen in der Bevölkerung: «Es gab Rückmeldungen, vor allem wenn sportliche Fahrzeuge vor den Sozialämtern vorgefahren sind. Das war aber ein kleiner Teil der ukrainischen Flüchtlinge.»
Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer mit Auto hier sind, ist unklar. «Es sind nicht sehr viele», sagt Gundekar Giebel von der Berner Sozialdirektion: «Im Kanton Bern besitzen einige Hundert von rund 7000 ukrainischen Flüchtlingen ein Fahrzeug.»
Flüchtlingshilfe befürwortet Verschärfung
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe stellt sich hinter die Verschärfungen: «Im Sinne einer Gleichbehandlung mit der einheimischen Bevölkerung ist das nachvollziehbar», sagt Sprecherin Eliane Engeler.
Im Sinne einer Gleichbehandlung mit der einheimischen Bevölkerung ist die Verschärfung nachvollziehbar.
Sie unterstützt auch eine weitere Verschärfung: Ab dem nächsten Jahr müssen ukrainische Flüchtlinge ihr Vermögen aufbrauchen, bevor sie Sozialhilfe beziehen – mit Ausnahmen: Der Verkauf von Vermögenswerten in der ukrainischen Heimat müsse zumutbar und verhältnismässig sein, so die SODK.
Konkret werden zum Beispiel keine Häuser angetastet, in denen den Flüchtlingen nahestehende Personen wohnen – und auch keine Geldvermögen, die Angehörigen oder Freunden in der Ukraine zum Lebensunterhalt dienen.
In der Praxis kaum umsetzbar
Manche Sozialämter beziehen Heimat-Vermögen der ukrainischen Kriegsflüchtlinge heute bereits in ihre Abklärungen ein. Zum Beispiel im Kanton Bern. «Die Sache ist sehr schwierig, weil jeder Fall ein Einzelfall ist», bilanziert Gundekar Giebel von der Berner Sozialdirektion die bisherigen Erfahrungen.
Ihm sei kein Dossier bekannt, bei dem Vermögen in der Ukraine tatsächlich angerechnet worden seien an die Sozialhilfe.
Auch andere Kantonsvertreter betonen, wie schwierig solche Abklärungen in einem Kriegsland seien. Sie sehen die Massnahmen beim Vermögen vor allem als politisch-symbolischen Schritt – im Unterschied zur Verschärfung bei den Autos: Diese Verschärfung dürfte konkrete Folgen haben für mehrere tausend Kriegsflüchtlinge.