«Ich habe grosse Angst und verlasse kaum das Haus, bestelle mein Essen online und arbeite nur im Homeoffice», «Restaurant-Innenräume bereiten mir noch immer Mühe, aber ich beisse auf die Zähne» oder auch «Am 1. August geht's zum grossen Brunch, aber freuen kann ich mich immer noch nicht richtig», schreibt die SRF-Community auf einen Aufruf hin.
Die Userinnen und User fühlen sich in der neuen «Freiheit» trotz doppelter Impfung noch nicht wohl in Menschenmengen und Treffen in Innenräumen bedeuten Stress für sie. Doch wie soll man mit den eigenen Ängsten oder unsicheren Personen im eigenen Umfeld umgehen? Ein Experte gibt Tipps.
SRF News: Einige Menschen meiden trotz Impfung soziale Anlässe oder fühlen sich dort unwohl. Wie kommt es dazu?
Peter Wilhelm: Viele verunsichert, dass sich die Delta-Variante verbreitet und in den letzten Wochen die Neuinfektionen überall wieder ansteigen. In England oder Spanien sind die Infektionszahlen wieder sehr hoch und dies, obwohl die Impfquoten ähnlich wie in der Schweiz sind. Das wirkt bedrohlich und nährt die Angst vor einer neuen Infektionswelle sowie einer Infektion trotz Impfung.
Allerdings scheinen die Impfstoffe auch gegen die Delta-Variante sehr gut zu schützen. Deshalb sind Sorgen nicht angebracht, wenn man vollständig geimpft ist. Menschen, die eher vorsichtig oder ängstlich sind, werden durch Nachrichten über Virusvarianten und steigende Zahlen verunsichert. Sie machen sich Sorgen und vermeiden deshalb soziale Anlässe.
Es ist wichtig, Verunsicherten mit Verständnis zu begegnen, das Thema anzusprechen und zuzuhören.
Wie soll man sich gegenüber unsicheren Personen verhalten, damit sich alle wohlfühlen?
Wenn sich Menschen unsicher fühlen, Sorgen und Ängste haben, neigen sie dazu sich zurückzuziehen und entsprechende Situationen zu vermeiden. Deshalb ist es wichtig, ihnen mit Verständnis zu begegnen, das Thema anzusprechen und zuzuhören. Manchmal hilft es, seriöse Information zu geben.
Gerade Kontakte mit neuen Personen können verängstigen, beispielsweise bei einem Date. Wie geht man mit dieser Situation am besten um?
Gerade das Kennenlernen von neuen Personen, sei es nun im Arbeitsumfeld oder bei Dates, ist aufregend und kann auch mit Stress behaftet sein. Für Personen, die sich davor fürchten, dass sie sich infizieren könnten, stellt das eine zusätzliche Belastung dar. Eine gute Strategie ist, erst einmal davon auszugehen, dass die andere Person unsicher sein könnte und den Treffpunkt so zu wählen, dass sie sich auch dann wohlfühlen kann. Also sich beispielsweise draussen zum Spazieren zu treffen statt in einer Bar. Zudem ist es gut, über den Umgang mit der Pandemie zu sprechen. Am besten hört man zu, ohne zu widersprechen und die andere Meinung zu bewerten.
Wie können sich unsichere Personen wieder ans gesellschaftliche Leben herantasten?
Wichtig ist, dass man soziale Situationen nicht meidet. Wenn einem das schwerfällt, sollte man schrittweise vorgehen, und beispielsweise damit beginnen, Freunde draussen zu treffen. Mit deren Unterstützung kann man dann eine Situation aufsuchen, die mehr Mühe macht, wie zum Beispiel ins Kino zu gehen. Wenn Unterstützung fehlt oder man sich nicht mehr traut Menschen zu treffen, dann ist es wichtig, professionelle Hilfe zu suchen und mit einer Psychologin oder einem Psychologen Kontakt aufzunehmen.
Das Gespräch führte Marc Tschirren.