In der EU sind bisher über 260 Millionen Menschen zweifach gegen Corona geimpft. Und doch wird mit Blick auf mögliche Impfdurchbrüche seit kurzem über eine dritte Impfung debattiert – die sogenannte «Booster-Impfung» zur Auffrischung. Der bekannte deutsche Virologe Christian Drosten würde sich jetzt - aus unterschiedlichen Gründen - allerdings eher infizieren als ein drittes Mal piksen lassen, wie er im Corona-Podcast des NDR sagt. Das töne durchaus plausibel und sei allenfalls etwas für junge, gesunde Menschen, doch noch fehlten die Daten, sagt SRF-Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler.
SRF News: Bietet eine natürliche Corona-Infektion jetzt tatsächlich den besseren Schutz als eine dritte Impfung?
Thomas Häusler: Es gibt dafür noch keine eindeutigen Daten, da man das direkt noch nicht untersucht hat. Christian Drosten extrapoliert hier basierend auf seinem fundierten Wissen und immunologischen Studien. Und diese haben gezeigt, dass jemand, der mit dem Sars-CoV-2-Virus angesteckt worden ist, in der Regel eine sehr gute Immunantwort produziert. Dazu kommt: Man weiss auch, dass jemand, der nach einer Corona-Infektion noch geimpft wurde – also quasi umgekehrt von Drostens Idee – eine sehr gute Immunität aufbaut. Drostens Idee, sich einen natürlichen Booster zu holen, ist wissenschaftlich gesehen also plausibel. Aber noch besser wäre es, man hätte die Studien dazu.
Drostens Idee, sich einen natürlichen Booster zu holen, ist wissenschaftlich gesehen plausibel.
Was ist der Unterschied zwischen der dritten Impfung und einer Ansteckung?
Einige Studien haben gezeigt, dass das Immunsystem nach einer Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus noch monatelang seine Antikörper verbessert. Sie reifen wie guter Wein. Sie reifen sogar so gut, dass sie auch gegen Varianten des Corona-Virus schützen können, mit denen das Immunsystem noch gar nicht konfrontiert war.
In diesem Ausmass hat man das bei der Impfung nicht beobachtet. Das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass die bei uns benutzten Impfungen nur Teile des Virus enthalten, aber nicht das ganze. Ein natürlicher Booster, also eine Ansteckung nach einer Impfung, kann vermutlich eine solche breite und weitere reifende Immunantwort erzeugen. Das wäre wohl der Unterschied zu einer dritten Impfung.
Ein natürlicher Booster, also eine Ansteckung nach einer Impfung, könnte vermutlich eine solche breite und weitere reifende Immunantwort erzeugen.
Drosten sagt, er selbst könne das Risiko abschätzen. Wie weiss man, dass man sich nicht trotzdem einem Risiko aussetzt?
Man muss ganz klar sagen: Ein solcher natürlicher Booster ist allenfalls etwas für junge, gesunde Menschen. Für Ältere und Risikopatienten gibt es ganz klar Risiken, weil der Impfschutz von Anfang an nicht hundertprozentig ist und mit der Zeit abnehmen kann. Zudem weiss auch niemand, wo die sichere Altersgrenze liegt. Darum rät Drosten älteren Menschen auch ganz klar ab. Aber eben: Wo liegt die Altersgrenze? Zudem bleibt ein kleines Restrisiko wohl auch für Jüngere.
Ein solcher natürlicher Booster ist allenfalls etwas für junge, gesunde Menschen.
Es gibt aber auch noch eine gesellschaftliche Sicht: Wir wissen jetzt, dass Geimpfte, die sich mit der Delta-Variante anstecken, das Virus auch weitergeben können. Wenn nun die Fallzahlen hoch sind und sich gleichzeitig viele Menschen einen natürlichen Booster verpassen wollen, dann könnte das die Viruszirkulation anheizen und die Fallzahlen in die Höhe treiben. Das wiederum kann die Belastung für die Spitäler erhöhen. Da sich dies kaum steuern lässt, würde ich doch zur Vorsicht raten mit diesen natürlichen Boostern.
Das Gespräch führte Rino Curti.