«Die Kinder sind mit ganz grosser Sicherheit nicht die Treiber dieser Epidemie.» Das sagte der ehemalige «Mister Corona», Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit, zu Beginn der Pandemie. «Es ist auch so, dass wahrscheinlich die allermeisten Kinder gar nicht infiziert werden», behauptete Koch damals. Das war falsch.
Die Aussage löste damals eine Kontroverse aus. Sie heizte auch die Diskussionen zur Maskenpflicht an Schulen und zu den Gruppentests von Klassen an. Lange stellte sich die Frage, wie stark die Kinder zum Infektionsgeschehen beitragen.
Kinder tragen zum Infektionsgeschehen bei.
Unterdessen ist die Sachlage aus Sicht der Forschung klar. So haben breit angelegte Antikörpertests an Schulen im Kanton Zürich gezeigt, dass sich Kinder etwa gleich häufig infizieren, wie Erwachsene. «Kinder tragen zum Infektionsgeschehen bei», sagt der Bioinformatiker und Virenexperte Richard Neher von der Universität Basel. «Sie infizieren sich gegenseitig und auch ältere Leute, ihre Eltern und ihre Familien.»
Andere angefragte Experten sehen das gleich. «Es ist schon sehr lange bekannt, dass Kinder das Virus auch haben und es auch weitergeben können», sagt Milo Puhan, Epidemiologe von der Universität Zürich. Sie seien im Vergleich zu Erwachsenen «weniger klinisch» davon betroffen. Heisst: Kinder erkranken seltener an Covid-19.
Alle tragen zur Pandemie bei
Dieser Umstand hat dazu geführt, dass ihr Einfluss auf die Weiterverbreitung lange unterschätzt wurde. Oft wurde behauptet, Kinder könnten nicht die Treiber Pandemie sein. Wobei Epidemiologe Christian Althaus von der Universität Bern den Begriff «Treiber» unglücklich gewählt findet. «Keine Bevölkerungsgruppe ist Treiber einer Pandemie. Es sind immer alle Altersgruppen, die einen gewissen Anteil zur Gesamtübertragung haben.»
Keine Bevölkerungsgruppe ist Treiber einer Pandemie.
Die Anteile der verschiedenen Altersgruppen am Infektionsgeschehen schwankten auch über die Zeit. Jetzt, da die meisten Erwachsenen geimpft sind, wechselt das Virus quasi automatisch stärker zu den Kindern und Jugendlichen, bestätigt Neher: «Mit mittlerweile sehr gut fortgeschrittener Impfung in den älteren Altersgruppen verschiebt sich natürlich das Infektionsgeschehen in solche, die keinerlei Immunität haben.»
Die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf hat soeben eine Studie als Pre-Print veröffentlicht, in der sie in einem Fall aus Genf nachwies, wie das Virus von der Schule auch nach Hause wanderte. In Grossbritannien, wo die Schulen sehr lange geschlossen waren, ist das Infektionsgeschehen unter Kindern und Jugendlichen in den letzten Wochen extrem in die Höhe geschossen.
Vermehrt Infektionen an Schulen
An einer Medienkonferenz berichtete der Präsident der Kantonsärzte Rudolf Hauri diese Woche über die Situation in der Schweiz. Es scheine nun auch «vermehrt Übertragungen innerhalb der Klassen und von Schülerinnen und Schülern auf Familienangehörige zu geben». Um dies möglichst zu unterbinden, sei regelmässiges Testen an den Schulen unbedingt zu empfehlen. In diesem Punkt sind sich alle angefragten Experten einig.
Nur ein Teil der Kantone bietet allerdings wöchentliche Tests in den Schulen an. Stoppen liesse sich die Pandemie mit diesen Reihentests nicht – aber zumindest bremsen und das ist jetzt, da sich die Schweiz und Europa erneut zu einem Brennpunkt der Pandemie entwickeln – bitter nötig.