Deutschland hat eine neue Regierung. Was bedeutet das für die Schweiz in Bezug auf die deutsch-schweizerischen Beziehungen? Nationalrätin Céline Widmer ist Präsidentin der Delegation für die Beziehungen zum Deutschen Bundestag (Del-D). Sie hofft auf besseres Verständnis für die Schweiz in Deutschland, denn parteipolitisch verstehe man sich.
SRF News: Was erwarten Sie von Olaf Scholz in Bezug auf die Beziehung von Deutschland zur Schweiz?
Céline Widmer: Ich erwarte von der neuen Regierung keine andere Haltung gegenüber der Schweiz. Deutschland und die Schweiz bleiben freundschaftlich verbunden.
Die staatspolitische Kommission hat erfahren, wie gross die Irritation in Deutschland über den Abbruch der Verhandlungen des institutionellen Rahmenabkommens ist.
Wo sind denn die Knackpunkte in der deutsch-schweizerischen Beziehung?
Sie liegen auf der übergeordneten Ebene – bei der Europäischen Union. Wir reisten kürzlich mit der Delegation für die Beziehungen zum Deutschen Bundestag nach Deutschland. Dort haben wir erfahren, wie gross die Irritation in Deutschland über den Abbruch der Verhandlungen des institutionellen Rahmenabkommens ist.
Die Bundesregierung will ihre Aussenpolitik sowie die Sicherheits- und Entwicklungspolitik europäisch aufstellen. Wie ist die Schweiz davon betroffen?
Ein demokratisch gefestigtes Europa ist im grossen Interesse der Schweiz. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten gesehen. Der europäische Integrationsprozess bringt Frieden, Wohlstand, Freiheit. Und davon profitiert die Schweiz auch sehr.
Die grossen Herausforderungen können wir gar nicht allein lösen.
Es gibt im Schweizer Parlament Stimmen, die unabhängig von Brüssel sein wollen. Könnte dies nicht auch für neue Konflikte sorgen?
Das ist eine parteipolitische Frage. Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass sich die grossen Herausforderungen unserer Zeit nur grenzüberschreitend lösen lassen. Ein Alleingang der Schweiz ist nicht im Interesse der Schweiz, weil wir die grossen Herausforderungen wie Klimaveränderung, Digitalisierung und so weiter gar nicht allein lösen können.
Was erwarten Sie nach dem einseitigen Abbruch der Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der EU von der neuen deutschen Regierung im Umgang mit der Schweiz?
Ich erwarte keine grundsätzliche Abkehr von dieser freundschaftlichen Verbundenheit. Es war aber für die vorherige Regierung schon klar, dass die institutionellen Fragen mit der Europäischen Union geklärt werden müssen. Und da wird die neue Regierung keine andere Haltung einnehmen.
Angela Merkel war keine grosse Freundin der Schweiz. Ist das bei Olaf Scholz anders?
Durch diese Koalition gibt es mehr parteipolitische Beziehungen zu Schweizer Parteien, zur SPD, aber auch zu den Grünen und den Liberalen. Eine Bundesrätin und ein Bundesrat haben neu einen parteipolitischen Bezug zum künftigen Bundeskanzler.
Eine Bundesrätin und ein Bundesrat haben neu einen parteipolitischen Bezug zum künftigen Bundeskanzler.
Sehen Sie eine Chance, dass Sie als Schweizer Parlamentarierin die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz intensivieren können?
Unsere Delegation hat eine Schwesterdelegation aufseiten des Deutschen Bundestages. Uns interessiert ein regelmässiger Austausch. Pandemiebedingt machen wir das online, aber wir müssen warten, bis die Delegation des Deutschen Bundestags bestellt ist. Die Delegation des Bundestags wird weiblicher und jünger und ich glaube, dass wir neue Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner finden werden. Das Hauptthema war in den letzten zwei Jahren in diesen Gesprächen immer die Beziehung zur EU. Die engen Beziehungen im Forschungs- und Bildungsbereich und die Handelsbeziehungen zu Deutschland hängen davon ab, dass die Beziehung Schweiz-EU geklärt wird.
Das Gespräch führte Zoé Geissler.