Immer wieder sucht ein Aargauer KMU Mitarbeitende. Yannick Berner, der dort in der Geschäftsleitung sitzt, meint dazu: «Die Zeiten haben sich geändert, als Arbeitgeber muss man heute die Fühler ausstrecken und schauen, wie die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist.»
Eines der Mittel von Berner, um an die besten Mitarbeitenden zu kommen, ist, alle Stellen konsequent auch in Teilzeit auszuschreiben. Mit Erfolg: So konnte er erst kürzlich eine neue IT-Leiterin anstellen – in Teilzeit.
Arbeitgeber müssen sich bewegen
Teilzeitarbeit nimmt zu. Während Anfang der 1990er-Jahre noch ein Viertel der Arbeitnehmenden in einem Teilzeitpensum beschäftigt war, ist es heute mehr als ein Drittel. Die meisten davon (73.4 Prozent) sind Frauen. Die meisten von ihnen geben als Grund Kinderbetreuung oder andere familiäre Verpflichtungen an. Der meistgenannte Grund bei den Männern: keine Lust.
Die Zeiten haben sich geändert, als Arbeitgeber muss man heute die Fühler ausstrecken und schauen, wie die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist.
Dass Freizeit immer wichtiger wird, beobachtet auch der Arbeitgeberverband. So sagt Simon Wey, Chefökonom: «Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollen nicht mehr einfach fünf Tage arbeiten und zwei Tage Wochenende. Sie wollen immer mehr Freizeit und weniger Arbeit. Da müssen sich Arbeitgeber anpassen.»
Arbeitnehmende wollen immer mehr Freizeit und weniger Arbeit.
Die Arbeitnehmenden seien in der Schweiz in einer sehr guten Position. Weil die Löhne so hoch seien, könne man es sich überhaupt leisten, Teilzeit zu arbeiten. Mitarbeiter könnten das aber auch immer mehr einfordern, so Wey: «Der Arbeitgeber hätte schon ein Interesse daran, dass Mitarbeiter möglichst hohe Pensen haben. Aber wenn das Bedürfnis da ist, bleibt dem Arbeitgeber gar nichts anderes übrig, als auch tiefere Pensen anzubieten.»
Teilzeit nicht immer freiwillig
Auf der anderen Seite weist der Gewerkschaftsbund darauf hin, dass nicht alle Menschen freiwillig Teilzeit arbeiten.
Fehlende und zu teure Betreuungsangebote führen dazu, dass vor allem Frauen in die tiefen Pensen gezwungen werden.
«Fehlende und zu teure Betreuungsangebote führen dazu, dass vor allem Frauen in die tiefen Pensen gezwungen werden. Beispielsweise im Detailhandel werden oft nur Teilzeitpensen angeboten», sagt Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund.
35- Stunden-Woche für alle?
SP-Nationalrätin Tamara Funiciello will deshalb, dass alle weniger arbeiten müssen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll die Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für tiefe und mittlere Einkommen auf 35 Stunden gesenkt werden.
Die Chancen für das Anliegen dürften allerdings nicht allzu gross sein, der Bundesrat hat sich dagegen ausgesprochen und auch die Bürgerlichen dürften sich dagegen wehren. Zudem hat das Volk zuletzt 2012 die Sechs-Wochen-Ferien-Initiative abgelehnt.
Individuelle Entscheidungen
Daher wird es künftig wohl weiter so sein, dass Teilzeit eine individuelle Frage ist. Wer es sich leisten kann und will, kann Teilzeit arbeiten. Der Fachkräftemangel zwingt die Arbeitgebenden, neue Modelle anzubieten, so wie bei Yannick Berner. «Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels regelt der Markt das Bedürfnis nach mehr Teilzeit selbst», sagt Simon Wey vom Arbeitgeberverband.