Spätestens seit der Lancierung von ChatGPT vor zwei Jahren ist Künstliche Intelligenz (KI) im Alltag vieler Menschen angekommen. Seither hat sich die Technologie rasant weiterentwickelt. Ein gutes Zeichen – auch für die Schweiz, findet Monika Rühl, Direktorin des Wirtschaftdachverbands Economiesuisse. Künstliche Intelligenz sei eine grosse Chance, so Rühl: «Die Schweiz ist extrem gut aufgestellt.» Sie habe beste Voraussetzungen, um KI zum Nutzen von Gesellschaft und Wirtschaft einsetzen zu können.
Das grosse Potenzial sieht auch Peter G. Kirchschläger, Ethiker an der Universität Luzern und der ETH Zürich. Allerdings dürfe man die Risiken nicht ausblenden – dazu zählt er etwa diskriminierende Algorithmen oder den Energieverbrauch der neuen Technologien. Kirchschläger sagt: «Wir als führende KI-Nation können zeigen, wie das funktioniert, wenn wir eine KI machen, die auf den Menschenrechten basiert – und zwar von der Rohstoffgewinnung über die Arbeitsbedingungen bis hin zur Nutzung der Technologie.»
Künstliche Intelligenz könne helfen, das Zusammenleben der Menschen zu verbessern, findet auch Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann. Doch es sei ein «Riesenproblem», dass grosse Technologiefirmen heute vor allem Profit machen würden mit KI, «während wir keine Ahnung haben, was mit unseren Daten passiert».
KI verändert die Arbeitswelt
Gerade für Arbeitnehmende habe Künstliche Intelligenz viele Vorteile, sagt KI-Unternehmer Pascal Kaufmann: «Wenn wir das richtig machen, können wir ein neues Zeitalter einläuten. Dort arbeiten wir dann vielleicht nicht mehr acht Stunden pro Tag.» Möglich werde das, wenn künftig Maschinen oder Roboter beispielsweise Routineaufgaben erledigen.
Dass Unternehmen dank KI effizienter werden und ihre Produktivität steigern können, bestätigt auch Monika Rühl: «Die dadurch freigespielten Arbeitskräfte können dann an einem anderen Ort eingesetzt werden.» Das sei gerade angesichts des Fachkräftemangels eine positive Entwicklung. So einfach sei das nicht, hält Mirjam Hostetmann entgegen: «Sie tun nun so, als ob man ganz einfach den Job wechseln könnte.»
Derweil verweist Marcel Salathé, Co-Direktor des KI-Zentrums an der EPFL Lausanne, auf Erkenntnisse aus der Vergangenheit: «Wir haben immer wieder neue Wege gefunden. Eine Technologie kommt und ersetzt einen gewissen Teil der Arbeit, schafft aber viele neue Arbeitsgebiete.»
Braucht es eine Schweizer KI-Regulierung?
Heftig umstritten ist in der «Arena», ob und wie Künstliche Intelligenz reguliert werden soll. In der EU ist seit diesem Sommer eine Verordnung in Kraft, die Regeln für den Umgang mit KI festlegt. In der Schweiz arbeitet der Bundesrat an einem eigenen Regulierungsansatz.
Während Hostetmann dafür plädiert, die EU-Regeln zu übernehmen, sieht Kaufmann keinen «akuten Handlungsbedarf» zur Regulierung von KI in der Schweiz: «Wir sollten nicht so schnell die Gesetze anpassen, diese Technologie ist noch so jung, die gesetzliche Grundlage ist gut.» Auch Economiesuisse-Direktorin Rühl sagt: «Wir wollen keine Regulierungskeule wie die EU.»
Kirchschläger hingegen sieht grossen Handlungsbedarf – etwa im Bereich des Datenschutzes oder der Urheberrechte: «Wir müssen schauen, dass wir Schäden verhindern können. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass alle von KI profitieren und nicht nur ein paar wenige multinationale Technologiekonzerne.»
Für Marcel Salathé ist derweil klar: «Wir müssen eine Balance finden zwischen Innovation und Regulation.»