Bereits über 30'000 Schlafplätze werden derzeit von privaten Haushalten in der Schweiz für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung gestellt. Die grosse Betroffenheit über den Angriff der russischen Armee hat eine enorme Hilfsbereitschaft ausgelöst. Geht es nach Guido Fluri, so muss die Schweiz aber noch mehr leisten.
«Menschen, die besonders gefährdet sind, müssen aktiv hierher gebracht werden», sagte Fluri in der «Arena» am Freitagabend. Das verlange unsere humanitäre Tradition. Der Solothurner Unternehmer hat in einer raschen Hilfsaktion ein Flugzeug gechartert und 150 Frauen und Kinder in die Schweiz geholt. Darunter waren vor allem auch schwerstbehinderte Menschen, die nach Polen flüchteten.
«Es herrschen katastrophale Zustände», sagte Fluri. So seien etwa viele Frauen mit Säuglingen tagelang unterwegs bei minus 10 Grad. Er fordert vor allem auch mehr staatliche Unterstützung bei der Koordination der Aufnahme von Geflüchteten.
Der Druck vor Ort ist gross
Laut UNO sind seit Beginn des russischen Angriffs über zwei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Innerhalb des Landes sind sieben Millionen Menschen auf der Flucht. Ob die Schweiz genügend grosszügig ist in diesem Krieg, war die grosse Frage, die bei dieser Sendung im Fokus stand und welche Hilfsaktionen nun wirklich helfen.
Auch Toni Frisch, ehemaliger Leiter der Humanitären Hilfe der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), findet es wichtig, dass man sich nun grosszügig zeigt. Der frühere OSZE-Vermittler, der selbst jahrelang in der Ostukraine tätig war, betonte, dass die benötigte Hilfe nicht unterschätzt werden darf. Die Geflüchteten aus der Ukraine bräuchten Nähe und Geduld. Viele seien traumatisiert und benötigten vielleicht sogar medizinische oder psychologische Betreuung.
Es ist jetzt dringend, dass man die Hilfe vor Ort massiv stärkt.
Derzeit sei der Druck vor Ort aber viel grösser, sagte Frisch. «Viele Geflüchtete an der Grenze zu Polen, Moldawien, Rumänien werden nahe an der Grenze bleiben, um möglichst schnell in die Ukraine zurückzukehren, zu ihren Familien, zu ihren Männern, die im Krieg sind.» Deshalb sei es nun dringender, dass man die Hilfe vor Ort massiv stärke.
Während Julia Küng als Co-Präsidentin der Jungen Grünen findet, dass auch Russinnen und Russen, die Repression erleben und in Gefängnissen verschwinden, Schutz gewährt werden müsse, sagte SVP-Nationalrat Gregor Rutz: «Man muss differenziert an das Problem herangehen.» Nötig sei jetzt vor allem eine koordinierte Hilfe. «Es ist eine generelle Fehlkonzeption unserer Migrationspolitik, dass wir alle Menschen in die Schweiz holen wollen.»
Als reiches Land in der Verantwortung
Mit in der Sendung dabei war auch Andres Andrekson alias Rapper Stress. Er versteht die Diskussion der Politik um die Aufnahme von Geflüchteten nicht. «Wir sind ein reiches Land und haben deshalb eine Verantwortung gegenüber Menschen, die weniger haben.» Andrekson hat seine Kindheit in Estland, damals noch Teil der Sowjetunion, verbracht. «Ich weiss, was es heisst, wenn einer kommt, und einem alles nimmt.»
Dieses Gefühl gehe sehr tief. Und dass es heute noch zu einer Situation kommen kann, das sei unglaublich. Der ehemalige KGB-Agent Wladimir Putin sei ein Mann einer anderen Generation, sagte Andrekson. Man unterschätze seinen Mut und seine Sturheit. «Ich verstehe, dass viele Leute Angst haben, sie ist Teil unserer Menschlichkeit.»
Ich weiss, was es heisst, wenn einer kommt und dir alles nimmt.
Aber er sehe auch viel Mut und viel Herz. Wir müssten vorwärtsschauen. «Wir haben Glück, so ein stabiles Land zu haben und es ist schön, dass wir anderen helfen können.» Vorwärts schaut auch Guido Fluri. Er hat bereits den nächsten Flug geplant, um mehr Menschen in Not in der Schweiz in Sicherheit zu bringen.