- In Windisch (AG) müssen 49 Personen bis Ende Juni ihre Wohnungen verlassen. Künftig sollen hier 100 Asylsuchende wohnen.
- Die Gemeinde kritisierte am Montag den Kanton dafür scharf. Nun kritisieren auch Parteien und Verbände den Kanton und verlangen andere Lösungen.
- Der Kanton gibt sich zugeknöpft und will den Streit nicht über die Medien lösen.
Die Reaktionen sind heftig, nachdem die Mieterinnen und Mieter in Windisch die Kündigung von ihrem Hausbesitzer erhalten haben. «Nein zur Vertreibung von Mietern», titelt die SVP Aargau. Die junge SVP Aargau ist «erstaunt und wütend über das Vorgehen des Kantons» und hat eine Petition lanciert.
Das macht einen sprachlos.
Die Präsidentin der FDP Aargau, Sabina Freiermuth, spricht gegenüber SRF von einem kommunikativen Versagen des Kantons: «Das macht einen sprachlos. Da ist offenbar über die Gemeinde hinweg entschieden worden. Man verlagert einfach das Problem.»
Es ist inakzeptabel, dass Menschen in Notlagen gegeneinander ausgespielt werden.
Die Juso Aargau fordert «keine Asylpolitik auf Kosten der finanziell Schwachen.» Die SP Aargau spricht von fehlendem, politischem Fingerspitzengefühl. «Es ist inakzeptabel, dass Menschen in Notlagen gegeneinander ausgespielt werden, ob sie nun Einheimische oder Geflüchtete sind», sagt Stefan Dietrich, Co-Präsident der SP Aargau.
Die GLP findet, die Kündigungen seien «nicht nachvollziehbar und zeigen auf, dass in ruhigeren Zeiten nicht vorausschauend gehandelt wurde». Es gebe sicher andere Möglichkeiten.
Kurzsichtige Scheinlösungen sind brandgefährlich.
Auch Netzwerk Asyl Aargau findet klare Worte: «Kurzsichtige Scheinlösungen sind brandgefährlich.» Der Verein verurteile die Entscheidung und fordere eine Reform der Asylpolitik im Aargau, teilt er mit. Der Kanton habe die Suche nach Asylunterkünften auf die lange Bank geschoben. Er nehme soziale Konflikte in Kauf.
Gemeinderat will helfen
Der Windischer Gemeinderat zeigte sich am Montag «zutiefst schockiert über das Vorgehen». Die Windischer Behörden betonten, sie hätten den Kantonsvertretern gesagt, dass in den Liegenschaften Personen wohnten.
Die Wohnungen sind relativ günstig, sie werden von Personen mit tieferem Einkommen bewohnt. Für den Gemeinderat ist klar, dass es für sie sehr schwierig wird, Wohnungen in diesem Preissegment zu finden. Deshalb will sich die Gemeinde für die Betroffenen wehren. Sie könnten die Kündigungen der Wohnungen anfechten.
Der Kanton hält sich zurück
Und was sagt der Kanton Aargau? «Der Kantonale Sozialdienst hat am 22. Februar 2023 einen Brief des Gemeinderats Windisch erhalten. Er wird diesen Brief in den nächsten Tagen beantworten.» Die bestehenden Differenzen wolle der Sozialdienst nicht über die Medien austragen.
Es handle sich in Windisch um Altliegenschaften, deren Sanierung in nächster Zeit bevorstehe. Das Ganze sei keine Beschlagnahmung von Häusern.
Firma bedauert Kündigungen
Die Liegenschaftsbesitzerin und Vermieterin der Häuser, eine Schwyzer Immobilienfirma, hat sich am Dienstagabend geäussert. Die Firma betont gegenüber SRF, «dass die Kündigung der 32 Wohneinheiten, und nicht die teilweise erwähnt 49 Wohneinheiten, nicht zwecks Vermietung an Flüchtlinge erfolgte. Die Kündigungen wurden einzig und alleine ausgesprochen, da die bestehende Liegenschaft ihren baulichen Lebenszyklus erreicht hat.»
In absehbarer Zeit sei ein Ersatzneubau geplant. «Dass Kündigungen vom Grundsatz her ausgesprochen werden mussten, bedauert die Hauseigentümerschaft sehr.» Noch diese Woche wolle die Immobilienfirma, wegen des medialen Wirbels, zusammen mit der Gemeinde offene Fragen der Mieterschaft beantworten.