Am Montag teilte der Gemeinderat von Windisch mit, dass ein privater Liegenschaftsbesitzer 49 Personen die Wohnung gekündigt habe. Dieser wolle die Wohnungen dem Kanton vermieten, der dort eine Asylunterkunft plane. Ist das erlaubt? SRF hat bei einer Mietrechtsexpertin nachgefragt.
SRF: 49 Mieterinnen und Mieter müssen per Ende Juni ihre Wohnungen verlassen. Ist das aus rechtlicher Sicht erlaubt?
Dedual: Ja. In der Schweiz gilt im Mietrecht grundsätzlich die Kündigungsfreiheit. Das heisst: Wenn ich ein unbefristetes Mietverhältnis habe und die Kündigungsfrist einhalte, dann kann ich ohne Angabe eines Grundes jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin künden.
Nun haben Sie in diesem spezifischen Fall die Kündigung gesehen. Wie schätzen Sie diese ein?
Was man bereits aus formeller Sicht sagen kann, ist, dass die Kündigung wahrscheinlich gültig ausgesprochen wurde. Sie wurde den Mieterinnen und Mietern auf einem amtlich bewilligten Formular mitgeteilt. Das ist die erste Gültigkeitsvoraussetzung einer Kündigung. Zudem muss sie den richtigen Adressaten – bei Familienwohnungen zum Beispiel beiden Ehegatten separat – zugegangen sein.
Was kann die Mieterschaft dagegen unternehmen?
Sie kann innert 30 Tagen die Kündigung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anfechten. Das Gericht würde dann überprüfen, ob die Kündigung missbräuchlich ist. Würde das Gericht dies bejahen, würde es die Kündigung aufheben.
Erstreckung heisst, dass Mieterin und Mieter über den Kündigungstermin hinaus in der Wohnung bleiben dürfen.
Würde das Gericht keine Missbräuchlichkeit feststellen, geht es bei den Betroffenen als Nächstes darum, ob sie eine Erstreckung erhalten. Erstreckung heisst, dass Mieterin und Mieter über den Kündigungstermin hinaus in der Wohnung bleiben dürfen. Hierbei macht das Gericht eine Interessensabwägung zwischen den Interessen der Vermieter- und Mieterseite.
Offenbar leben in diesen Wohnungen auch sozial schwächere Menschen. Hat das einen Einfluss auf eine Missbräuchlichkeit der Kündigung?
Für eine Missbräuchlichkeit der Kündigung können auch die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Mieterschaft eine Rolle spielen. Allerdings verstossen Kündigungen aus ökonomischen Gründen grundsätzlich nicht gegen das Gesetz. Eine schwierige finanzielle Lage der Mieterschaft ist vor allem für den Erhalt einer Erstreckung ein ganz wichtiges Kriterium.
Warum?
Eine Erstreckung bekomme ich nur unter der Voraussetzung, dass die Kündigung für Mieterin oder Mieter besonders schwerwiegend ist. Die Mieterschaft kann alle möglichen Gründe für eine Erstreckung geltend machen: schlechte finanzielle Lage, fortgeschrittenes Alter, schwierige Wohnungsfindung, Jobwechsel und so weiter.
Könnte sich der Fall also in die Länge ziehen?
Ja. Das Gesetz sieht bei einer Erstreckung eine Maximaldauer von vier Jahren vor, die die Schlichtungsbehörde den Betroffenen gewähren könnte. Das ist allerdings sehr lange. Normalerweise sehen wir Mieterstreckungen im Umfang von 6 bis 12 Monaten. Zudem ist es möglich, eine zweite Erstreckung innerhalb der Maximaldauer zu verlangen.
Normalerweise sehen wir Mieterstreckungen im Umfang von 6 bis 12 Monaten.
Wer ist verpflichtet, den Betroffenen bei der Suche einer neuen Bleibe zu helfen?
Das ist Sache der Mieterinnen und Mieter. Was an dieser Stelle noch wichtig ist: Auch erfolglose Suchbemühungen, die dokumentiert werden, können dazu führen, dass eine längere Erstreckung gewährt wird.
Das Gespräch führte Deborah Schlatter.