Im niedersächsischen Asse kämpfen Spezialisten Tag für Tag mit den Folgen von Fehlentscheidungen, die vor rund 50 Jahren getroffen wurden. Bagger kippten damals Fässer voller radioaktiver Abfälle in die Tiefen des ehemaligen Bergwerks.
Aber die alten Salzkammern sind brüchig und bald schon dringt Wasser ein. Weil die Fässer für immer dort bleiben sollten, wurden sie grosszügig einbetoniert. Und jetzt weiss niemand, wie die Fässer zu bergen sind.
Tiefenlager in der Nordschweiz
Auch im Schweizer Tiefenlager in Nördlich Lägern sollen radioaktive Abfälle eingelagert werden. Doch vergleichen liessen sich die beiden Projekte nicht, betont der CEO der Nagra, Matthias Braun.
«Der Hauptunterschied gegenüber Asse ist, dass wir ein Auswahlverfahren haben und dass wir den sichersten Standort spezifisch für radioaktive Abfälle suchen.» Bei Asse sei das anders gewesen. Dort habe man die Abfälle in ein bestehendes Bergwerk eingelagert.
Der ETH-Geologe Marcos Buser beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit dem Thema und sieht durchaus Ähnlichkeiten zum Lager Asse.
«Es gibt Parallelen in Bezug auf das Vorgehen. Es gibt bei beiden Projekten Schwachpunkte, dass zum Beispiel keine Fehlerkultur da ist.» Sich hinterfragen und kritische Fragen aufnehmen: Eine solche Fehlerkultur sei dringend notwendig bei einem so grossen Projekt, so Buser.
Von einer unzureichenden Fehlerkultur will man bei der Nagra nichts wissen. Es gäbe viele Qualitätsprüfungen und Experten, welche die Arbeit der Nagra überprüften – bevor die Behörden ihre Aufsichtsfunktion wahrnehmen.
Planung der Rückholbarkeit
In Asse hatten Experten schon früh darauf hingewiesen, dass das Bergwerk für ein Atomendlager ungeeignet sei. Doch die Bedenken blieben ungeachtet. Darum sei wichtig, vorher festzulegen, welche Kriterien zu einem Projektabbruch führen, verlangt die atomkraftkritische Schweizerische Energie-Stiftung.
Es geht um den Umgang mit Problemen und Fehlern. Was macht man konkret, wenn etwas schiefgeht?
«Es geht um den Umgang mit Problemen und Fehlern. Was macht man konkret, wenn etwas schiefgeht?», fragt Fabian Lüscher, Leiter des Fachbereichs Atomenergie der Energiestiftung. Es brauche klare Kriterien, damit man im schlimmsten Fall schnell und effektiv reagieren kann.
Bei der Nagra stösst diese Kritik auf Unverständnis. Denn die Kriterien für einen Abbruch des Projekts seien vorhanden, das seien die Eignungskriterien. Diese würden von den Behörden definiert, erklärt Braun. «Sind die Eignungskriterien nicht erfüllt, gibt es kein Tiefenlager.»
Sind die Eignungskriterien nicht erfüllt, gibt es kein Tiefenlager.
Die Energiestiftung fordert zudem, dass die Nagra ein detailliertes Rückholbarkeitskonzept vorlegt. So würde sichergestellt, dass im Falle eines Problems die Atomabfälle wieder geborgen werden können.
Einlagerung ab 2050
Laut der Nagra ist die Rückholbarkeit erst wichtig, wenn tatsächlich radioaktive Abfälle im Tiefenlager deponiert werden. Und dies sei frühestens im Jahr 2050 der Fall. «Wenn man sich überlegt, welche Fortschritte in Technologie und Wissenschaft passieren werden, dann würde ich sagen, wir sind früh», sagt Braun.
Fabian Lüscher sieht das anders: «Es ist klar, dass es nicht reicht, einfach zu sagen: bis das Lager verschlossen ist, können wir das Zeug schon noch irgendwie zurückholen.»
Geologe Buser hingegen glaubt, dass die Rückholung dank zukünftigen Technologien immer möglich sein wird.
Die Nagra wird bis 2024 ihr Gesuch für das Tiefenlager einreichen, zusammen mit einem Konzept für die Rückholbarkeit.