Das Atommüll-Endlager soll im Gebiet Nördlich Lägern gebaut werden. Grund für diesen Entscheid sei die hohe Sicherheit des Standorts, so die Nagra. Marcos Buser, Geologe und ehemaliges Mitglied der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS), kritisiert schon seit mehr als 40 Jahren das seiner Meinung nach intransparente Vorgehen der Nagra bei der Standortsuche.
SRF News: Die Nagra sagt, Nördlich Lägern sei der beste Standort. Wie beurteilen Sie den Entscheid?
Marcos Buser: Es gibt keinen besten Standort in der Schweiz. Alle Gebiete haben ihre Nachteile, so auch Nördlich Lägern. Das grösste Problem hier ist, dass sich der Standort oberhalb eines sogenannten Permokarbontrogs liegt. In diesem Trog befinden sich nutzbare Rohstoffe. Auch andere geologische Fragestellungen sind problematisch. Dazu zählen beispielsweise Störungszonen oder das knappe Platzangebot in dieser Gegend.
Es fehlt eine Begründung, warum die Favoritenrolle des Zürcher Weinlands aufgegeben worden ist.
Insgesamt ist die Schweiz kein besonders gutes Endlagerland für das verfolgte Konzept. Bisher wurde der ausgesuchte Ort als Reserve-Standort bezeichnet, ohne besonders gute Qualitäten. Es fehlt eine Begründung, warum die Favoritenrolle des Zürcher Weinlands aufgegeben worden ist.
Wie ist der Wechsel vom Zürcher Weinland auf Nördlich Lägern zu erklären?
Der unerwartete Entscheid lässt sich mit der Intervention der Kantone erklären. Die Nagra hat gemerkt, dass es ihnen Vorteile bringt, wenn sie dem folgen, was die Kantone sagen. So ist wenigstens ein Standort vorhanden und die Rahmenbewilligung kann eingereicht werden. Damit erhoffen sie sich die Öffnung des Atomprogramms beziehungsweise die Verlängerung der Laufzeiten von den bestehenden Kraftwerken.
Der Prozess ist ein Scherbenhaufen.
Der gesamte Entscheidungsprozess ist völlig intransparent. Was genau passiert ist und wer auf den Entscheid hin zu Nördlich Lägern eingewirkt hat, ist nicht ganz klar und sollte deshalb untersucht werden. Und dies von einer unabhängigen Kommission, welche zum Beispiel vom Bundesrat eingesetzt wurde. Es wird an einer sauberen Prozessführung gezweifelt: Der Prozess ist ein Scherbenhaufen.
Warum profitiert die Stromwirtschaft von dem Entscheid? Wo besteht der Zusammenhang?
Die Stromwirtschaft kann heute, nach 50 Jahren, keine AKWs mehr betreiben, ohne dass sie eine sogenannte Lösung präsentieren. Deshalb muss diese Rahmenbewilligung jetzt möglichst schnell über die Bühne gehen. Und das tut sie, wenn die Behörden sagen: Jawohl, der Entscheid des Endlagers wurde getroffen.
Wer könnte den Entscheid revidieren?
Entscheide können immer dann revidiert werden, wenn sich zeigt, dass die Geologie doch komplizierter und schlechter ist als erwartet. Oder dann, wenn sich ein Widerstand aufbaut, welcher so stark ist wie in Wellenberg, wodurch das Projekt verhindert werden konnte.
Ich erwarte, dass die Nagra von sich aus die ganze Dokumentation und das Archiv aufmacht und offenlegt, was in den Jahren 2011 und 2012 passiert ist.
Was erwarten Sie jetzt von der Nagra?
Ich erwarte, dass sie von sich aus die ganze Dokumentation und das Archiv aufmacht und offenlegt, was in den Jahren 2011 und 2012 passiert ist. In diesen Jahren wurde der Prozess bewusst in Richtung Zürcher Weinland gesteuert. Das Richtige wäre eine Beurteilung externer, unabhängiger Personen, welche den gesamten Prozess untersuchen.
Das Gespräch führte Mario Nottaris.