Lange, lange dauerte das Warten auf den Entscheid. 50 Jahre nach der Gründung der Nagra hat sie endlich einen Standort für das geologische Tiefenlager bestimmt – oder etwas profaner formuliert: gesagt, wo unser Atommüll in Zukunft vergraben werden soll. Die Reaktionen sind absehbar: Erleichterung bei den Verantwortlichen, Konsternation am Standort, Kritik von Umweltschutz-Organisationen, viele offene Fragen.
«Die Geologie hat gesprochen», sagt Nagra-CEO Matthias Braun zum Standortentscheid Nördlich Lägern. Er betont ausdrücklich, dass die Sicherheit über allem stehe. Die geologischen Voraussetzungen in Nördlich Lägern seien denjenigen an den anderen Standorten Jura-Ost und Zürcher Weinland überlegen. Politische Fragen hätten bei der Auswahl des Standortes keine Rolle gespielt.
Fragen zum Standort bleiben offen
Dabei gibt es durchaus offene Fragen, primär zum Standort. Hatte doch die Nagra selbst 2015 erklärt, Nördlich Lägern sei ungeeignet und das Gebiet von der Standortliste gestrichen. Nur auf Intervention des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) wurde dort weitergebohrt.
Und nun soll ausgerechnet dieser Standort der beste, der sicherste sein? Das wird von vielen angezweifelt. Es wird eine grosse Aufgabe für die Nagra sein, diese Zweifel auszuräumen und aufzuzeigen, dass der Standort nicht gewählt wurde, weil dort der geringste politische Widerstand zu erwarten war.
Volk hat wohl das letzte Wort
Mit dem Standortentscheid rückt auch die Problematik der Entsorgung wieder in den Fokus. Das ist wichtig – gerade auch im Zusammenhang mit der Energiekrise, in der immer lauter der Ruf nach neuen Atomkraftwerken ertönt. Denn in der Diskussion, ob allenfalls neue AKW die Schweiz in Zukunft vor einer Energiemangellage bewahren könnten, geht gerne vergessen, dass diese auch Abfall produzieren, der irgendwo entsorgt werden muss.
Denn mit dem Entscheid für Nördlich Lägern hat die Schweiz noch keinen einzigen Brennstab entsorgt. Und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass in zehn Jahren die Nagra wieder auf Feld eins zurück muss. Am Schluss wird höchstwahrscheinlich das Volk über den Standort entscheiden.
Fazit: Der Standortentscheid ist ein erster Schritt – ein wichtiger zweifellos –, aber auf einem noch sehr, sehr langen Weg.