Rafael Grossi, der argentinische Diplomat an der Spitze der UNO-Atomenergie-Organisation, ist überzeugt, dass derzeit vieles für die Atomenergie spreche. Immer mehr Länder hätten die Kernkraft neu oder wieder entdeckt als klimafreundliche Form der Stromproduktion, dank der sie unabhängiger von fossilen Energien würden, so der Direktor der IAEA.
Dass Kernkraftwerke grosse Risiken mit sich bringen, wie die aktuellen Spannungen rund um das ukrainische Kernkraftwerk in Saporischja zeigen, das könne nicht der Technologie angelastet werden, meint Rafael Grossi. «Hier hat eine Kriegspartei entschieden, ein Kernkraftwerk zur Waffe zu machen.»
Kraftwerke sicher weiterbetreiben
Auch ein Staudamm sei im Ukraine-Krieg gesprengt worden. Deshalb stelle niemand die Wasserkraft grundsätzlich infrage. Die Schweiz, so Grossi, tue gut daran, ihre AKWs noch so lange zu betreiben, wie sie sicher sind.
Irgendwann wird die Frage gestellt, wie wir neue Technologien im Nuklearbereich für uns nutzbar machen.
Rafael Grossis Gastgeber, der Präsident des Schweizerischen Nuklearforums und frühere Nationalrat, Hans-Ulrich Bigler stimmt zu. «Wenn neue Technologien im Nuklearbereich kommen, bin ich persönlich der Überzeugung, dass irgendwann die Frage gestellt wird, wie können wir damit umgehen und wie können wir das für uns nutzbar machen.»
Die Akzeptanz für den Bau neuer Reaktoren ist in der Bevölkerung nicht da.
Ganz anders sieht dies Simon Banholzer, Leiter Politik bei der kernkraftkritischen Schweizerischen Energiestiftung: «Die Akzeptanz für den Bau neuer Reaktoren ist in der Bevölkerung nicht da. Zudem sind die Kosten neuer Atomkraftwerke derart hoch, dass zur Finanzierung quasi eine neue Atomabgabe eingeführt werden müsste. Ich bin mir sicher, neue Abgaben hätten es enorm schwer in der Bevölkerung.»
Mit dem Chef der IAEA haben die Befürworterinnen und Befürworter der Kernenergie einen prominenten Fürsprecher in die Schweiz geholt. Ob sich die Schweizer Bevölkerung von ihm und vom Aufbruch in gewissen anderen Ländern mitreissen lässt, bleibt aber offen.