Es ist eines der grossen innenpolitischen Themen der Schweiz: der Umgang mit dem Wolf. Der Bundesrat will den Wolfsbestand stark dezimieren, wie er diese Woche bekannt gegeben hat. Die derzeit etwa 30 Rudel in der Schweiz sollen auf ein Drittel reduziert werden.
Bereits ab Dezember dürfen die Tiere neu auch präventiv geschossen werden, falls man grössere Schäden befürchtet. Was die Bäuerinnen freut, verärgert die Tierschützer. Denn der Wolf polarisiert. Wo steht da jemand, der sehr nahe mit Wölfen arbeitet?
Auf Besuch bei den Wölfen in Biel
Einer, der täglich mit Wölfen zu tun hat, ist Tierparkleiter Sven Fässler, 31 Jahre alt. Er hat unter anderem die Lewa-Savanne im Zürcher Zoo mitkonzipiert. Vorher pflegte er bereits Wölfe.
Letzten Januar hat er die Chance gepackt, selber einen Tierpark zu leiten. In Biel will er nur einheimische Tiere halten, so artgerecht wie möglich. Als er vom Zürcher Zoo angefragt wurde, ob er die drei Wölfe übernehmen möchte, musste er nicht lange überlegen. Und nun leben Samija, Khentii und Sonam am Rande des Bözingenberges in Biel.
Das Bild vom bösen Wolf hat mit der Realität gar nichts zu tun.
Zwischen den Tieren und Fässler steht ein hoher Zaun. Aber auch ohne diesen wäre es nicht gefährlich. «Dieser Rotkäppcheneffekt oder das Bild vom bösen Wolf hat mit der Realität gar nichts zu tun. Einen Wolf zu sichten, das ist ein wunderschönes Erlebnis, das nur wenige Sekunden geht, weil der Wolf danach sofort wieder verschwunden ist», sagt Fässler. «Der Wolf ist ein scheues Tier.»
Menschen gehörten sowieso nicht in sein Beuteschema, Schafe und Ziegen hingegen sehr wohl. Laut Bund haben die Risse in den letzten Jahren stark zugenommen. Darum dürfen Jäger unter gewissen Bedingungen bald mehr Wölfe schiessen, auch präventiv.
Schmerzt Sven Fässler diese Ankündigung? Er bleibt absolut neutral. Der Bund habe Spezialistinnen und Spezialisten, die dies beurteilen würden.
Beute könnte besser geschützt werden
Einige Bäuerinnen und Bauern könnten ihre Schafe und Ziegen jedoch besser schützen, fügt er an. «Das ist immer eine Frage der Zusammenarbeit und des Wollens», sagt Fässler.
Es ist nicht meine Aufgabe, über Politik und Verhalten von Schafsbesitzern zu urteilen.
Die öffentliche Hand finanziere Hirtenhunde und teilweise auch Zäune. Aber es sei nicht seine Aufgabe, über Politik und Verhalten von Schafbesitzerinnen und -besitzern zu urteilen, meint Fässler. Ein Tierpark sei dazu da, Besucherinnen und Besucher über die Tiere zu informieren und wissenschaftliche Arbeit zu leisten.
Herdenschutz durch Duftabwehr
Auch im Bereich Herdenschutz leistet er solche wissenschaftliche Arbeit. «Es sind Forschungsarbeiten am Laufen. Unter anderem entwickeln wir momentan einen Geruchsstoff.»
Mit dem Geruchsstoff sollen Wölfe auf natürliche Weise verschmäht werden.
Diesen Geruchsstoff sollten zum Beispiel Landwirte um ihre Zäune herum anbringen können, erklärt Fässler. Mit diesem sollen die Wölfe auf natürliche Weise verschmäht werden.
Ein Duft, der Wölfe abschreckt – eine andere Art des Herdenschutzes. Denn Fässler hat durchaus Verständnis für die betroffenen Bauern. «Die Problematik ist auf alle Fälle da und das Verständnis ist gross. Mit unseren Botschaften ist es darum wichtig, da mithelfen zu können – um die Schafe zu schützen, aber genauso auch den Wolf in der Natur», so Fässler.