Am Mittwoch präsentierte Bundesrat Albert Rösti eine Anpassung der Jagdverordnung und somit ein neues Wolfsregime. Präziser: Wölfe dürfen künftig auch präventiv geschossen werden, in «begründeten Fällen» ist der Abschuss ganzer Rudel möglich.
Ein quasi Freifahrtschein für die Kantone also? Wölfe schiessen wird einfacher, vor allem punkto Bürokratie. Das stösst im Bergkanton Graubünden – dort leben 12 der aktuell 32 Wolfsrudel in der Schweiz – auf offene Ohren. Probleme dürfte es aber in der Umsetzung geben.
Für die zuständige Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen ist klar: Es braucht künftig mehr Personal und eine finanzielle Abgeltung des Bundes. Sie sagt: «Wir als Kanton sind enttäuscht, dass der Bundesrat in der Revision der Verordnung nicht auch die Finanzierung geregelt hat. Das wurde eigentlich in Aussicht gestellt.»
Wer die Kosten tragen muss, ist laut Maissen noch Gegenstand von Verhandlungen. Die Kosten könnten an den Kantonen hängen bleiben.
Graubünden reicht nächste Woche das Gesuch ein
Dass Graubünden ganze Rudel regulieren will, ist jetzt schon klar. Noch nicht öffentlich ist das genaue Gesuch, also wie viele und welche Wölfe auf die Abschussliste kommen. Im Kanton leben rund 100 Wölfe, die Arbeiten am Abschussgesuch seien weit fortgeschritten und dürfte am kommenden Dienstag an das Bundesamt für Umwelt übergehen.
Arno Puorger, der beim Bündner Amt für Jagd und Fischerei für Grossraubtiere zuständig ist, weiss als Wildtierbiologe, dass Wolfsrudel als Ganzes in der Natur nur schwer zu fassen sind: «Wölfe in Rudel bewegen sich oft nicht als ganzes Rudel. Sie müssen ein Territorium verteidigen, das ist effektiver, wenn sich die einzelnen Tiere geografisch aufteilen.» Die Idee, in einer einzigen Aktion ein ganzes Rudel zu entnehmen, sei also mehr Theorie als Praxis.
Man kann nicht einfach im Wald herumlaufen und auf gut Glück warten.
Auch im Kanton Glarus leben zwei Wolfsrudel. Und auch dort dürfte es Probleme in der Praxis geben. Ein Wolf zu entnehmen, ist keine einfach zu erledigende Aufgabe. Marco Banzer ist einer von vier Wildhütern im Kanton. Momentan liegt die Abschussbewilligung für drei Tiere vor. Dafür kontrolliert er regelmässig die aufgestellten Fotofallen. Damit ein Abschuss gelingt, braucht es oft Geduld und den richtigen Moment.
Er erzählt: «Man kann nicht einfach im Wald herumlaufen und auf gut Glück warten. Da muss man Ressourcen sparen. Eine Top-Chance haben wir bei Nutztierkadavern. Da kommt das Rudel nochmals, um zu fressen.» Auch Wildhüter Banzer fordert mehr Personal und eine bessere Ausrüstung: «Ich schätze, das wird ein riesiger Aufwand. Vor allem für unsere jetzige Korps-Situation. Da muss etwas gehen.»
Was nützt eine Regulierung ganzer Rudel?
Dass mit der Regulierung wieder Ruhe einkehre, glaubt Wildhüter Marco Banzer nicht. Die Dezimierung des Wolfes ist für ihn ein Kampf gegen Windmühlen: «Viel verändern wird sich nicht. Wir haben dann weniger Wölfe, aber es hat noch welche. Man muss weiterhin Herdenschutz betreiben, die Tiere werden weiterhin ins Tal kommen. Die Ausgangslage bleibt fast die gleiche.»
Der Bundesrat ist indes davon überzeugt, dass der Wolf ein lernfähiges Tier ist. Umweltminister Albert Rösti sagte am Donnerstag im Interview mit SRF News: «Wir gehen davon aus, dass Wölfe realisieren, dass sie gejagt werden und sich in den Wald zurückziehen.» Wie wirkungsvoll die Massnahmen wirklich sind, wird sich zeigen.