Mein Besuch im Kantonsspital Winterthur ist minutiös geplant. Denn niemand hat viel Zeit. In der Covid-Abteilung mit den 46 Betten wimmelt es von Personal. Hektisch ist es nicht, aber angespannt.
«Die grösste Herausforderung ist es, genug Personal auf der Covid-Abteilung zu haben. Täglich sind es 65 Mitarbeitende, dreimal mehr als auf einer normalen Station», sagt Karin Michel, die oberste Pflegechefin. Im Vergleich zur ersten Welle gebe es zudem viel mehr Schwerstkranke: «Es gibt auch viel mehr Todesfälle, manchmal drei bis vier pro Schicht.»
Mehr schwere Fälle
Nur noch die schwersten Fälle kämen auf die Intensivstation, und auch nur jene, die es wollten, erklärt die Pflegechefin der Covid-Abteilung, Brigitta Hänni: «Wir besprechen im Vorfeld mit den Patienten, ob sie auf die IPS gebracht werden wollen. Wenn jemand das will, wird er verlegt, sobald ein Bett frei ist.»
Will jemand nicht auf die IPS, aber auf der Station alles, wird die nicht-invasive Beatmung installiert. «Wir machen alles, was wir können – mit Medikamenten, Sauerstoff und unterstützenden Massnahmen», so Hänni. Mit mehr schweren Fällen auf der Covid-Abteilung steige die Belastung für Pflegende. Der Krankheitsverlauf sei sehr unberechenbar, der Zustand verschlechtere sich oft innert Stunden.
Das nicht absehbare Ende und die Frage, ob man auch eine dritte Welle durchstehen würde, machen es emotional zusätzlich streng.
Belastend seien auch die Arbeitsbedingungen auf der Covid-Station: «Man ist den ganzen Tag in Schutzkleidung, kann nicht trinken oder will es nicht, weil man sich dann fürs WC ausschleusen müsste, aber die Zeit fehlt», sagt Hänni. «Das nicht absehbare Ende und die Frage, ob man auch eine dritte Welle durchstehen würde, machen es emotional zusätzlich streng.»
Keine Grippe, sondern todernst
Viele fühlten sich zudem von der Öffentlichkeit im Stich gelassen, fügt ihre Chefin Michel an: «In der ersten Welle gab es Applaus von den Balkonen. Das tat sehr gut. Mittlerweile fühlt man sich manchmal nicht ernst genommen – dass es keine Grippe ist, sondern eine ernsthafte Krankheit.»
Dasselbe fühlen viele auf der IPS, wo noch immer die Hälfte der Betten durch Covid-Patienten belegt ist. Das Personal sei am Anschlag, sagt Ana Barbic, Teamleiterin in der IPS. Das eigene Personal springe sehr oft ein und mache Überstunden: «Motiviert sind immer noch alle, das Durchhaltevermögen macht die IPS-Fachleute aus. Doch es fragt sich, wie lange noch. Da sehe ich nicht rosig.»
Das Durchhaltevermögen macht die IPS-Fachleute aus. Doch es fragt sich, wie lange noch. Da sehe ich nicht rosig.
Laut IPS-Leiterin Martina Keller ist die Überlastung mit der zweiten Welle chronisch geworden. Eine Verschnaufpause nach der ersten Welle habe gefehlt. Es sei schwierig, diese Belastung zu beschreiben.
Das unterstreicht IPS-Oberärztin Fabienne Müller: «Die Diskrepanz zwischen Aussenwahrnehmung und IPS-Realität ist schwierig. Wir sehen eigentlich nur die schwersten Verläufe, von Patienten aller Altersklassen. Es gibt zwar auch gute Verläufe, aber viele schwere mit Patienten, die lange auf der IPS liegen.»
Noch keine Kündigungswelle
Mein Rundgang endet bei Spitaldirektor Rolf Zehnder, der die chronische Überlastung bestätigt. Eine Kündigungswelle gebe es zwar noch nicht. Doch die sei wohl nur aufgeschoben, weil ein Berufsausstieg, ein langer Urlaub oder eine Reise momentan kaum möglich seien. Irgendwann wolle das Personal kompensieren, wann auch immer die Welle vorbei sei.
Wenn dann nicht noch weitere Wellen folgen. Ohne Qualitätseinbussen sind neue Covid-Wellen in Schweizer Spitälern kaum mehr zu stemmen.