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Ausbau der Stromproduktion Der Solarexpress ist in der Realität angekommen

Die Versprechen der Politik vor einem Jahr waren gross: Leistungsstarke Solaranlagen in den Alpen sollen – angesichts der drohenden Stromlücke im Winter – die Schweiz bereits ab 2025 mit zusätzlichem Strom versorgen. Inzwischen ist der Solarexpress allerdings in der Realität angekommen.

Im Eilzugstempo haben grosse Energiekonzerne, lokale Stromversorger und Privatpersonen den Ball der Politik aufgenommen. Insbesondere die Stromfirmen sahen endlich ihre Chance gekommen, unkompliziert auch in der Schweiz neue Projekte für erneuerbare Energien zu realisieren. Bislang waren solche Projekte – meist Windparks – am lokalen Widerstand gescheitert.

Zwar haben sich die Initianten von alpinen Solaranlagen mit viel Eifer und Herzblut ans Werk gemacht. Allerdings mussten sie bald einmal feststellen, dass Wunsch und Wirklichkeit zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind: Die technischen Herausforderungen waren vielerorts zu gross und wären mit immensen Kosten verbunden gewesen. Etliche Projektideen sind deshalb in der Schublade verschwunden.

Mensch und Technik setzen Grenzen

Die Technik hat jedoch auch den Projekten die Grenzen aufgezeigt, die einen Schritt weitergekommen sind: Die vorhandenen Stromnetze sind meist zu schwach, um die geplanten Strommengen abzutransportieren. Nicht zuletzt deswegen haben etliche Projektverantwortliche ihre Vorhaben auf das Machbare zurückgestutzt. Dass der Netzausbau beim Solarexpress die Achillesferse sein wird, war von Beginn an klar. Die Politik hat diesen Aspekt jedoch zu wenig mitbedacht, was letztlich den Eindruck eines gesetzgeberischen Schnellschusses hinterlässt.

Der Solarexpress ist allerdings auch anderweitig in der Realität angekommen: bei der Bevölkerung. Über 30 Berggemeinden haben in den vergangenen Wochen darüber abgestimmt, ob eine alpine Solaranlage auf ihrem Gemeindegebiet gebaut werden soll oder nicht. Die Abstimmungsresultate zeigen ein ambivalentes Bild: Rund ein Drittel der Projekte sind am Volkswillen gescheitert, bei einem weiteren Drittel war die Zustimmung knapp und beim letzten Drittel ist der Rückhalt gross.

Und was ist mit den angeblichen «Verhinderern» von Infrastrukturprojekten, den Natur- und Umweltschutzorganisationen? Bislang ist kein Vorhaben aufgrund ihres Widerstandes auf der Strecke geblieben. Allerdings dürfte die Möglichkeit einer drohenden Einsprache allzu gigantischen Projekten einen Riegel geschoben haben.

Versprechen werden nur teilweise eingelöst

Doch selbst jene Projekte, die nun konkret ausgearbeitet sind und die Zustimmung der lokalen Bevölkerung geniessen, sind noch lange nicht am Ziel: Die Kantone müssen die jeweiligen Baugesuche zuerst bewilligen und verfügen allenfalls noch Auflagen. Erst dann können Initianten seriöse Abklärungen über die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlage treffen.

Zwar wird der Bund bis zu 60 Prozent der ungedeckten Investitionskosten übernehmen. Trotzdem werden die grossen Energiekonzerne nochmals prüfen, ob sich eine Anlage tatsächlich lohnt oder nicht. Auch wenn die Stromfirmen im Besitz der öffentlichen Hand sind, stehen bei ihnen zuerst einmal Gewinne im Vordergrund und nicht die Versorgungssicherheit.

Demzufolge lässt sich heute auch noch nicht abschätzen, wie viele Anlagen dereinst tatsächlich gebaut werden. Was sich aber schon jetzt sagen lässt, ist, dass die ursprünglichen Erwartungen und Versprechen bestenfalls nur teilweise eingelöst werden.

Matthias Heim

Wirtschaftsredaktor

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Matthias Heim hat Wirtschaftsgeschichte studiert. Seit 2007 arbeitet er für Radio SRF, seit 2016 ist er Wirtschaftsredaktor. Seine Spezialgebiete sind Aviatik, Tourismus, Verkehr, Detailhandel und Energie.

Echo der Zeit, 17.12.2023, 18 Uhr

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