In Laax, Adelboden oder Grengiols im Wallis steht eine grosse Mehrheit hinter einer alpinen Solaranlage. An den jeweiligen Gemeindeversammlungen lag die Zustimmung jüngst zum Teil bei weit über 70 Prozent.
Für diese deutlichen Resultate gibt es eine Erklärung: «An der Versammlung beteiligen sich in erster Linie Leute, die auch die Mehrheitsmeinung haben.» Das sagt Michael Strebel. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Bern und forscht zu Gemeindeabstimmungen.
Sozialer Druck bestimmt mit
Hinzu komme ein gewisser sozialer Druck an Gemeindeversammlungen: «Diejenigen, die eine andere Meinung haben als die Mehrheit, trauen sich oft nicht, diese an der Versammlung zu äussern. Weil offen abgestimmt wird, besteht eine Art sozialer Druck, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten.»
Deshalb dürften viele kritische Stimmen einer Gemeindeversammlung ganz grundsätzlich fernbleiben: «Leute, die eine andere Meinung haben, gehen gar nicht erst an die Versammlung. Vielleicht, weil sie auch wissen, dass sie in der Minderheit sein werden. Denn in einer kleinen Gemeinde kann man oft auch mit Gesprächen auf der Strasse herausfinden, wo die Mehrheit der Bevölkerung steht.»
Stimmgeheimnis sorgt für andere Resultate
Ganz anders sehen die Resultate bei anonymen Abstimmungen aus. In Ilanz im Kanton Graubünden wollte der Energiekonzern Axpo zwei grosse alpine Solaranlagen bauen. An der Urne wurde das Projekt deutlich abgelehnt.
Ähnlich war die Situation in Saanen im Berner Oberland: Auch da hat die Stimmbevölkerung in einer anonymen Abstimmung einer grossen Solaranlage den Stecker gezogen.
Grundsätzlich komme bei solchen Abstimmungen der «freie Wille» besser zum Ausdruck, so Michael Strebel von der Universität Bern: «Anonyme Abstimmungen sind in modernen Demokratien der Standard. Es gibt ein Stimmgeheimnis. Das ist das Recht der Bürgerinnen und Bürger, dass sie nicht sagen müssen, wie sie sich äussern.» So können sie ihren Entscheid ohne Beeinflussung treffen.
Sind die Entscheide einer Gemeindeversammlung weniger wert?
Dennoch seien Gemeindeversammlungen nicht weniger legitim oder demokratisch als Urnenabstimmungen, so Strebel. Für die Gemeindeversammlung spreche etwa, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über ein Sachgeschäft möglicherweise besser im Bild seien, erklärt Michael Strebel.
«Da sind die Leute vielleicht etwas besser informiert über die Vorlage, weil nochmal eine Debatte stattgefunden hat. An der Urne hingegen weiss man nicht, wie sich die Leute informiert haben. Es kann sein, dass die Leute die Unterlagen nicht angeschaut und einfach etwas auf einen Zettel geschrieben haben, ohne sich das gross zu überlegen.»
Hingegen sei die Stimmbeteiligung bei Urnengängen oft höher als bei Gemeindeversammlungen. Diese Tatsache wiederum spreche dafür, dass der Urnenentscheid besser legitimiert sei, so der Politikwissenschaftler.
Gleiche Frage, anderes Resultat je nach Abstimmungsform. Dieses Muster zeigt sich auch bei anderen Sachgeschäften. Michael Strebel konnte es etwa bei der Frage der Gemeindefusionen nachweisen. Im Fall der alpinen Solaranlagen zeigen die unterschiedlichen Abstimmungsresultate, dass die alpinen Solaranlagen insgesamt doch sehr umstritten sind.