Die Kantone wollten gute Beziehungen mit der Europäischen Union, teilt die Konferenz der Kantonsregierungen heute mit. Ein Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen stehe aus Sicht der Kantone deshalb nicht zur Diskussion, unterstreicht ihr Präsident, der Bündner FDP-Regierungsrat Christian Rathgeb: «Es gilt jetzt Wege zu suchen, um die bestehenden Divergenzen auszuräumen.»
Das ist ein deutlicher Wink just in dem Moment, wo sich die Frage des weiteren Vorgehens stellt. Bald will der Bundesrat entscheiden, ob er das Rahmenabkommen weiterverfolgen oder fallenlassen will. Heute Mittwoch wird wieder beraten, ob ein Entscheid fällt, ist offen.
APK: Beziehung soll «stabil und konstruktiv» sein
Auf nationaler Ebene mehren sich die Zweifel, dass ein Abschluss des Abkommens noch möglich ist. Die aussenpolitische Kommission des Ständerats hat gestern eine Motion überwiesen: Der Bundesrat soll im Fall eines Scheiterns des Rahmenabkommens aufzeigen, wie er die Beziehungen mit der EU für die nächsten Jahre «stabil und konstruktiv» gestalten will.
Ein solcher Plan B sei bisher nicht erkennbar, kritisiert der St. Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth, Mitglied der aussenpolitischen Kommission: «Hier sehe ich noch eine sehr grosse Lücke. Ich habe wenig Substanzielles gesehen, wie der Bundesrat das aussenpolitisch bewerkstelligen will.»
Sistieren und Eskalation vermeiden
«Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die EU-Kommissionspräsidentin am 26. April deutlich gemacht hat, dass man seitens der EU verhandeln will», erinnert Würth. Ein einseitiger Abbruch der Verhandlungen würde deshalb nach seinen Worten unweigerlich zu einer gewissen Eskalation führen.
Ein einseitiger Abbruch durch die Schweiz würde unweigerlich zu einer gewissen Eskalation führen.
An einen Abschluss der Verhandlungen glaubt Würth aber nicht und plädiert deshalb für eine Sistierung um einige Jahre. Die Schweiz könne der EU gleichzeitig anbieten, offene Probleme zu lösen, die Brüssel schon lange in den sogenannten gemischten Ausschüssen thematisiere.
Dazu gehört etwa die achttägige Voranmeldefrist für Firmen aus der EU, die in der Schweiz Arbeitsaufträge durchführen wollen. Diese könne auf vier Tage verkürzt werden. Und die Schweiz müsse die Kohäsionsmilliarde zahlen, die sie momentan auf Wunsch des Parlamentes zurückhält.
Im Gegenzug könne die EU sich darauf verpflichten, den Marktzugang weiterhin zu gewähren, die bestehenden bilateralen Verträge schrittweise weiterzuentwickeln und auf sachfremde Strafaktionen zu verzichten.
Würth: Parteien warten auf klare Linie
Ob die EU diesen Schritt im Sinne einer zweitbesten Variante aus europäischer Sicht machen würde, wisse er letztlich auch nicht. Aber es sei zumindest ein konstruktiverer Ansatz als ein Abbruch der Verhandlungen, der der Schweiz nur Probleme bringe.
Eine Sistierung um ein paar Jahre habe zudem den Vorteil, dass die Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien bis dann stabilisiert seien. Das würde den Druck auf die Verhandlungen mit der Schweiz mindern, hofft der St. Galler Ständerat.
Nicht gerade hilfreich ist in der derzeitigen Europapolitik, dass alle Parteien verschiedene Forderungen einbringen. Die würden sich aber einigen, wenn der Bundesrat eine klare Linie vorgebe, sagt Würth: «Der Ball liegt ganz klar bei der Regierung. Sie hat gesagt, sie wolle die Verantwortung übernehmen. Da muss sie jetzt auch einen Plan vorlegen.»