Die Neutralität der Schweiz. Von Politikern wird sie unterschiedlich interpretiert. Eine Zusammenarbeit mit der Nato zum Beispiel, oder die Übernahme von internationalen Sanktionen, sind für die einen diskussionslos mit der Neutralität vereinbar. Für die anderen sind sie ein Bruch mit dem Verfassungsauftrag, «Massnahmen zur Wahrung der Neutralität der Schweiz» zu treffen.
Um dieses Thema wird immer wieder heftig gestritten. Bald dürfte die Neutralitätsinitiative der SVP, welche 2024 eingereicht wurde, das Thema in der politischen Agenda wieder ganz nach oben katapultieren. Und was in der Politik so leidenschaftlich debattiert wird, ist auch für das Aargauer Kunsthaus interessant.
Was bedeutet unsere Neutralität?
Während die Welt um uns herum in grosser Unruhe ist, leben in der Schweiz viele Menschen in Wohlstand und Frieden. Liegt das an der Neutralität? Was bedeutet diese Neutralität? Die Ausstellung «Modell Neutralität» im Aargauer Kunsthaus geht diesen Fragen nach.
Man habe dieses Thema im Aargauer Kunsthaus gewählt, weil es aktuell sei, sagt Ausstellungskuratorin Bassma El Adisey. «Wir sind der Meinung, dass Kunst auch ein Ort ist, an dem wir solche Themen miteinander besprechen können.» Künstlerinnen und Künstler hätten die Freiheit, Themen wie die Neutralität kritisch zu betrachten und so neue Perspektiven zu eröffnen.
14 verschiedene Ansätze
In der Ausstellung beleuchten 14 Kunstschaffende mit ihren Arbeiten den politischen und völkerrechtlichen Grundsatz der Neutralität. Die Ausstellung zeigt: Das Verständnis des Begriffs ist sehr unterschiedlich.
Der Schweizer Künstler Felix Stöckle versucht es zum Beispiel mit Ironie. Er kombiniert bunte Bilder, die Motive der Tourismuswerbung aufgreifen, mit Militärwaffen, in die ein freundliches «Grüezi!» eingraviert ist. Anders ist der Zugang bei Guerreiro do Divino Amor, der 2024 den Schweizer Pavillon an der Biennale Venedig bespielen durfte. Er zeigt eine Reihe animierter Leuchtkästen, in denen die Schweiz als Land erscheint, in dem Geld und Fonduekäse fliessen. Da geht es mehr um die Schweiz allgemein als um Neutralität.
Bei der Arbeit des Installationskünstlers Thomas Hirschhorn handelt es sich eigentlich um eine Kritik am WEF aus dem Jahre 2001: Davos als Modelleisenbahn-Landschaft. Mit kleinen Häuschen – Hirschhorn-typisch aus Karton und Klebeband. Und mit Panzern und Kampftruppen aus dem Spielwarenhandel.
Es gibt auch andere thematisch starke Arbeiten wie die von Mirkan Deniz. Die Künstlerin hat sich mit der Rolle der Schweiz bei der Aufteilung Kurdistans an Türkei, Iran, Irak und Syrien beschäftigt. Im Juli 1923 wurde dieser politische Akt, der bis heute für Unruhen sorgt, an einem Tisch in Lausanne besiegelt. Der ehemalige Schweizer Bundespräsident Pascal Couchepin schenkte ausgerechnet diesen Tisch 2008 der Türkei.
«Nicht immer gelungen»
Allerdings vermag die Ausstellung im Aargauer Kunsthaus aus Sicht von SRF-Kulturredaktorin Alice Henkes nicht immer zu überzeugen. Zwar seien einige künstlerische Arbeiten sehr wohl gelungen, doch: «In der Ausstellung begegnet man manchmal einem seltsamen Nebeneinander von Leichtem und Durchdachtem, von Arbeiten mit sehr speziellem Fokus und solchen, die das Thema eher streifen.»
Einige Arbeiten hätten durchaus mehr Tiefe vertragen können, so Henkes. «Die Ausstellung hat sich viel vorgenommen. Etwas zu viel.»