Es gärt bei Bauer Christian Salzmann. Er steht auf seinem Land direkt an der Autobahn unweit der Raststätte Grauholz. Der endlose Strom von Fahrzeugen lärmt: «Da hat man stets vor Augen, wie weit wir es mit der unbeschränkten Mobilität gebracht haben.» Das stört ihn und ebenso, dass er für den Ausbau Kulturland und Wald hergeben soll. Ihm droht Enteignung. Zusammen mit weiteren Bauern entlang der A1 hat er Einsprache erhoben.
Das tun auch sieben Gemeinden. Darunter die Stadt Bern, die Mehrverkehr befürchtet. Aber auch Zollikofen erwartet mehr Emissionen. Gemeindepräsident Daniel Bichsel betont, dass sich der bürgerlich dominierte Gemeinderat aus Klimaschutzgründen wehre: «Das ist schon auch ein Zeichen, dass das Bewusstsein für Klimafragen auf Gemeindestufe angekommen ist.»
Bichsel anerkennt, dass der Ausbau im Grauholz seine Gemeinde vom Ausweichverkehr entlasten könnte, der bei Staulagen durch Unfälle oder Überlastungen regelmässig eintrete.
So argumentiert auch das Bundesamt für Strassen (Astra): weniger Stau, flüssiger Verkehr auch in den Agglomerationen, bessere Erreichbarkeit, Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz.
Sicher würden Stauzeiten kleiner. Vorerst. Aber der Verkehr nehme weiter zu und mehr Kapazität ziehe mehr Fahrzeuge an, geben angefragte Verkehrsplanerinnen und -planer zu bedenken. Auch sei nicht geklärt, ob solche Projekte für die Mobilität der Zukunft taugen würden.
Das Konzept «Ausbau bei Engpass» sei veraltet, sagt ETH-Verkehrsplaner Kay Axhausen und bringt auch das Thema Strassengebühren ins Spiel. Doch wenn die Schweiz ihr Serviceangebot Autobahn aufrechterhalten wolle, ohne die Nachfrage über Preise zu steuern, sei der Ausbau zurzeit der einzige Weg, so der Professor für Verkehrsplanung. Oder die Nachfrageströme müssten auf den öffentlichen und den Langsamverkehr umgelagert werden.
VCS: Folgen fürs Klima nicht untersucht
Für Benjamin Zumbühl vom Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) in Bern wäre das eher der Weg. Er wirft dem Bund vor, die Folgen des Grauholz-Ausbaus aufs Klima in der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht untersucht zu haben: «Das Astra und der Bund sind der Meinung, dass das Klima nicht Teil der Umwelt ist und darum nicht untersucht werden muss.»
Ein Gericht muss die Frage nun klären. Zumbühl gibt offen zu, dass der VCS auf eine Verzögerung abziele. Er erwähnt dabei den Wandel bei den Arbeitsplätzen, die Möglichkeit von mehr Homeoffice und ebenso ein Astra-Pilotprojekt zum Road Pricing. Bis die Erkenntnisse aus all diesen Veränderungen vorliegen, werde das Projekt wohl überflüssig sein, so Zumbühl.
Astra will 2027 starten
Für das Bundesamt für Verkehr (BAV) ist der Ausbau sinnvoll. Wenn die Autobahn als Hauptleitung verstopft sei, gehe der Verkehr in die Fläche und beeinträchtige Schul- und Velowege und den öffentlichen Verkehr, sagte Astra-Direktor Jürg Röthlisberger gegenüber SRF bereits im Frühsommer.
Aktuell äussert sich das Amt nur schriftlich: Das Astra will im Jahr 2027 mit dem Ausbau beginnen. Zuerst werden alle 64 Einsprachen behandelt. Absehbar erscheint, dass sich das Bundesgericht damit befassen wird. Die Finanzierung dieses Ausbauschritts untersteht dem fakultativen Referendum. Dies komme bestimmt, sagt die gegnerische Seite. Auch andere Erweiterungen auf dem Nationalstrassennetz würden bekämpft.