1798 besiegten die Franzosen am Grauholz die Bernischen Truppen und besiegelten die Grossmachtträume des Alten Bern. Heute donnern bis zu 120'000 Lastwagen und Autos übers vormalige Schlachtfeld. Trotz des Sechs-Spur-Ausbaus in den 1990er-Jahren staut sich beim Nadelöhr im Norden von Bern heute fast täglich der Verkehr. Scheitert am Grauholz nun auch die Autobahnpolitik der Schweiz?
Der Bund will die täglichen Staustunden zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl aus der Welt schaffen. Er plant dafür eine zusätzliche Autobahnspur pro Richtung für 250 Millionen Franken. Der Verein Spurwechsel sieht im geplanten Acht-Spur-Ausbau einen nie endenden Teufelskreis. Denn beim Autobahnteilstück Grauholz zeige die Geschichte exemplarisch: Jede Autobahnverbreiterung führe zu zusätzlichem Verkehr.
Wer Strasse sät, erntet Verkehr
Bauer Christian Salzmann soll einen zwölf Meter breiten Feldstreifen entlang der A1 fürs Ausbauprojekt Grauholz opfern. Auch er sieht in der Autobahnverbreiterung eine «Symptom- statt Ursachenbekämpfung». Salzmann fragt rhetorisch: «Und dann geht es weitere 30 Jahre und wir sind bei zehn Spuren?»
Gegnerinnen und Gegner des Autobahnausbaus plädieren für alternative Konzepte. Sie fordern, dass der Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr verlagert oder Fahrgemeinschaften gefördert werden.
Auch Jürg Röthlisberger, Direktor vom Bundesamt für Strassen Astra, sieht Potenzial für eine effizientere Nutzung der bestehenden Verkehrsinfrastrukturen. Doch ohne punktuelle Ausbauten wie beim Grauholz lasse sich das Verkehrswachstum der Zukunft schlicht nicht bewältigen.
Kommts zum Zehn-Spur-Ausbau 2050?
Aber lässt sich mit einem verbesserten Verkehrsmanagement der Teufelskreis – Kapazitätserweiterung gleich Verkehrswachstum – durchbrechen? Astra-Direktor Röthlisberger lässt die Frage nach einem allfälligen Zehn-Spur-Ausbau in den 2050er-Jahren offen: «Jede Generation behandelt die Probleme, die sich ihr aktuell stellen.» Vielleicht würden künftige Generationen ja einmal Autobahnspuren zurückbauen.
Markus Heinzer vom Verein Spurwechsel will diese Wette nicht eingehen. Gegenwärtig versucht Heinzer, möglichst viele Umweltschutzorganisationen zu motivieren, das Projekt juristisch zu bekämpfen. Das Ausführungsprojekt wird das Astra diesen August auflegen.