Eigentlich ist es in Göschenen meist sehr ruhig. Das kleine Dorf im Urner Reusstal thront zwar über dem Eingangsportal des Gotthard-Strassentunnels, ist aber gut vom Autobahnlärm abgeschottet. Doch seit im letzten Jahr der Bau der zweiten Röhre in Angriff genommen wurde, ist es vorbei mit der Ruhe, heisst es in einem Artikel der Zeitschrift «Der Beobachter».
Wenn man ein Buch lesen will, ist das sogar im Haus drin recht schwierig.
«Wir wohnen etwa 450 Meter Luftlinie von der Baustelle entfernt», sagt Sebastian Tresch. Er hat den Baulärm gemessen: «Bei unserem Haus ist er mit rund 75 Dezibel zu hören.» Der 56-Jährige erklärt, was das bedeutet: «Wenn wir im Garten sitzen, müssen wir deutlich lauter miteinander reden als sonst. Und wenn man ein Buch lesen will, ist das sogar im Haus drin recht schwierig.»
Natürlich verstehe er, dass eine Baustelle Lärm verursache. Nur: «Teilweise ging der Lärm schon morgens um Viertel nach fünf los. Das ging bis abends um zehn, manchmal ohne Pause am Mittag.» Dabei wären laute Arbeiten nur tagsüber, während sieben Stunden, erlaubt.
Mehrmals habe er sich bei der Bauleitung des Bundesamts für Strassen Astra beschwert – ohne Erfolg. Sebastian Tresch tat sich in der Folge mit weiteren zwölf Anwohnenden zusammen und schrieb eine Beschwerde. Es gab einen runden Tisch – mit Gemeinde- und Kantonsbehörden und der Bauleitung. Dabei sei ihnen versprochen worden, dass die Ruhezeiten eingehalten würden, erzählt Tresch. «Doch am nächsten Mittag zwischen zwölf und zwei Uhr wurde wieder durchgearbeitet.» Ihm platzte der Kragen: «Dann bin ich zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet.»
Das Astra schweigt
Leere Versprechungen vonseiten des Astra also? Beim Bundesamt äussert man sich derzeit nicht zum Fall. Es handle sich um ein laufendes Verfahren, heisst es auf Anfrage.
Auskunft gibt dagegen Peter Tresch, der Gemeindepräsident von Göschenen. Er ist etwas zwischen den Fronten, hat einerseits Verständnis für die Klagen der Anwohnenden: «Ich habe auch bemerkt, dass zwischenzeitlich zu Unzeiten Sprengungen vorgenommen wurden. Dass da bei jemandem der Geduldsfaden reissen kann, war absehbar.»
Wenn am Morgen um halb sieben ein Pneulader auf der Baustelle herumfährt, dann darf er das. Aber wenn ein Steinbrecher läuft, dann darf er das nicht.
Peter Tresch wirbt aber auch für Verständnis gegenüber den Bauleuten. Natürlich seien «lärmintensive Arbeiten» zu gewissen Zeiten nicht erlaubt. Aber dieser Begriff sei nicht so einfach zu definieren. Deshalb habe er sich nochmal mit den Kantonsbehörden und der Bauleitung zusammengesetzt, um zu definieren, was zu laut sei und was nicht.
Und so werde man in Kürze der Bevölkerung «quasi einen Massnahmenkatalog» vorlegen, sagt der Gemeindepräsident. «Damit wir zum Beispiel genau sagen können: Wenn am Morgen um halb sieben ein Pneulader auf der Baustelle herumfährt, dann darf er das. Aber wenn ein Steinbrecher läuft, dann darf er das nicht.»
Es gibt jetzt Lärm, damit es später weniger Lärm gibt.
Peter Tresch ist optimistisch, dass sich die Lärmsituation verbessern wird. Er gibt auch zu bedenken, dass es gerade jetzt – am Anfang der 10-jährigen Bauzeit – Arbeiten gebe, die dem Dorf später zugutekämen. So werde etwa für die Betonaufbereitungsanlage eine Kaverne in den Boden gebaut: «Damit sie nicht 10 Jahre lang Mais macht.» Nur müsse diese halt nun herausgesprengt werden. «Das heisst, es gibt jetzt Lärm, damit es später weniger Lärm gibt.»
Anwohner hört weiter genau hin
Vollends beruhigt ist Anwohner Sebastian Tresch damit zwar noch nicht. Er glaubt aber, dass seine Anzeige bei den Bauleuten bereits Wirkung gezeigt habe. «Ich konnte feststellen, dass sie sich zum Teil besser an die Zeiten gehalten haben.» Er werde aber weiterhin aufmerksam bleiben und sich – wenn nötig – für seine Ruhezeiten wehren.