Der Bauernverband warnt: Die lange Trockenheit der letzten Wochen wird zu Ernteausfällen führen, viele Landwirte geraten in ernsthafte Schwierigkeiten. Deshalb fordert der Verband eine vorübergehende Milchpreis-Erhöhung um 5 Rappen pro Liter.
Im Interview begründet Bauernverbands-Präsident Markus Ritter die Forderung nach einem Solidaritätsbeitrag.
SRF News: Sie haben bei den Bauern nachgefragt, wo der Schuh am stärksten drückt. Was ist bei der Umfrage herausgekommen?
Markus Ritter: Wir haben gesehen, dass praktisch die ganze Schweiz unter der extremen Trockenheit leidet – mit nur ganz wenigen Ausnahmen. Entsprechend haben Bauern im ganzen Land Ernteausfälle zu verkraften.
Welche Produkte sind vor allem betroffen?
Es wird wesentlich weniger Winterfutter geben. Auch Weidefutter steht nicht zur Verfügung, die Alpen müssen früher entladen werden. Bei den Kulturen sind die Schäden noch nicht abschliessend feststellbar. Bei Kartoffeln, Zuckerrüben oder Mais können wir erst nach der Ernte sagen, wie gross die allfälligen Ausfälle sein werden.
Was können die Bauern selber machen, um die Probleme zu minimieren?
Wir empfehlen allen unseren kantonalen Organisationen, Futtermittel-Börsen einzurichten, damit wir Futterengpässe so gut wie möglich überbrücken können und so wenig Tiere wie möglich geschlachtet werden müssen. Auch möchten wir, dass Betriebe, die über genügend Futter verfügen, Tiere von anderen Bauern über den Winter bringen. Unsere eigenen Möglichkeiten sollen ausgeschöpft werden, um diese Krise überwinden zu können.
Die Bauern müssen die höheren Kosten irgendwie tragen können. Fünf Rappen mehr pro Liter Milch würde viel bringen.
Das scheint nicht zu reichen. Jetzt fordern sie einen befristeten Solidaritätszuschlag pro Liter Milch um fünf Rappen...
Das ist eine zentrale Forderung. Die Bauern haben wegen des Futtermangels und des früheren Alpabtriebes höhere Kosten. Diese müssen sie irgendwie tragen können. Fünf Rappen mehr pro Liter Milch würde den Bauern schon sehr viel bringen. Wir werden diese Forderung deshalb in den nächsten Tagen mit dem Handel und den Milchverarbeitern besprechen.
Haben Sie schon erste Signale, wie die Grossverteiler auf die Forderung reagieren werden?
Wir glauben, dass angesichts der extremen Situation, in der wir uns befinden, beim Handel und bei den Verarbeitern viel Wohlwollen vorhanden ist – und dass es auch die Bevölkerung versteht, dass die Bauern zurzeit sehr hohe Kosten haben, die irgendwie getragen werden müssen. Wir wollen nicht als erstes den Staat zu Hilfe rufen, sondern eine Lösung im Rahmen der Marktwirtschaft zu erreichen versuchen.
Auch die tiefen Schlachtpreise sind ein Thema. Sie rufen die Schlachthöfe dazu auf, nicht derart schamlos von der Krise zu profitieren...
Der Preisdruck bei den Schlachtkühen hat stark zugenommen. Es ist wichtig, dass der Markt trotzdem gut funktioniert und wir versuchen, mit dem Handel und den Betrieben Lösungen zu finden, damit die Preise für die Schlachttiere nicht ins Bodenlose abstürzen. In den vergangenen Jahren hatten wir stets zu wenige Schlachtkühe, wir mussten Tiere importieren. Deshalb geht es jetzt auch darum, keine unnötigen Importe zu tätigen. Wir wissen bereits jetzt, dass es schon bald wieder zu wenige Schlachtkühe geben wird, deshalb möchten wir jetzt über mindestens ein halbes Jahr planen.
Wir erleben ein Jahr nach dem anderen mit immer höheren Temperaturen. Das ist nicht mehr bloss Zufall.
In Zukunft müssen wir uns darauf einstellen, dass die Temperaturen tendenziell steigen, und schon bald der nächste ähnlich heisse und trockene Sommer kommt. Sind die Bauern in der Schweiz darauf vorbereitet?
Im Moment sicher zu wenig. Wir erleben ein Jahr nach dem anderen mit immer höheren Temperaturen. Das ist nicht mehr bloss Zufall. Es gibt lange, sehr trockene Phasen, aber auch sehr lange regenreiche Perioden. Das erschwert die Produktion.
Es braucht in Zukunft Ernteausfall-Versicherungen. Das muss bei den nächsten Beratungen zur Agrarpolitik ein Thema sein. Die Risiken müssen besser abgesichert werden. Es kann nicht sein, dass wir die Feuerwehr jeweils erst aufbauen, wenn es schon brennt. Als Vorbereitung auf Extremereignisse braucht es Instrumente, die wir heute noch nicht haben. Diese könnten auch vom Bund unterstützt werden, damit die Bauern besser gerüstet sind.
Das Gespräch führte Max Akermann.