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Wie weiter mit dem drohenden Wohnungsnotstand?
Aus Echo der Zeit vom 09.03.2023. Bild: KEYSTONE/Michael Buholzer
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Bauprojekte gegen Wohnungsnot Alle sind für mehr Wohnungsbau, ausser er ist in ihrer Nähe

Laut dem Bund werden jährlich mehr als 10'000 Wohnungen zu wenig gebaut. Denn wird es konkret, regt sich oft Widerstand.

Grosse Überbauungen mit hunderten Wohnungen könnten einen Beitrag gegen die sich anbahnende Wohnungsnot leisten: grosse Projekte gegen ein grosses Problem. Ein grundsätzliches Ja der Bevölkerung zu mehr Wohnraum sei deshalb nicht überraschend, sagt Mark Schelker, Professor an der Universität Freiburg und Spezialist für politische Ökonomie: «Hinter dem Schleier der Ungewissheit, wenn man nicht weiss, wie man davon betroffen sein wird, ist es einfach zu sagen: Ich finde das eine gute Sache.» Geht es aber um konkrete Projekte, regt sich oft Widerstand.

Nirgends gibt es laut Bundesamt für Statistik so wenige freie Wohnungen wie in Zürich. Gegen eine Grossüberbauung mit Hochhäusern an der Thurgauerstrasse wurde 2020 erfolglos gekämpft; aus grundsätzlichen Überlegungen, oder weil Kritiker mit dem Projekt nicht einverstanden waren. Nirgendwo war dabei der Widerstand grösser als im betroffenen Quartier. Bis heute gibt es Einsprachen.

Beispiel Neugasse-Areal in Zürich

Ähnlich zeigte sich das Bild bei der Abstimmung über Wohnungsbau letzten Herbst. Es ging um Boden der SBB, um das sogenannte Neugasse-Areal in Zürich. Die Ablehnung der Überbauungspläne war nirgendwo grösser als im betroffenen Stadtkreis.

Am Ende erlitt das Projekt eine Abfuhr. Ja zu mehr Wohnungen, aber Nein zum konkreten Projekt. «Sobald klar wird, wo das Projekt stattfindet, kann ich ein bisschen durch den Schleier durchsehen und weiss, ob es in der Nähe von mir ist oder weit weg», sagt Schelker.

Wer in der Nähe wohnt, trägt verhältnismässig viele Lasten: Da ist kurzfristig der Baulärm. Langfristig kann es die Furcht sein, dass sich die Quartierzusammensetzung verändern könnte oder dass der Park überbaut wird, in dem man spazieren geht. Dazu kommt, dass die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner oft nicht abstimmen dürfen, weil sie noch nicht in der Gemeinde wohnen.

Positive Effekte werden oft unterschätzt

Neben persönlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen erschwere noch ein anderer Faktor geplante Grossprojekte, sagt Schelker, und zwar die Unsicherheit. Das Risiko des Neuen, auch Verlustängste, würden stärker wahrgenommen als mögliche Chancen.

Doch der Professor sagt: «Solche Quartiere machen eine Infrastrukturentwicklung durch, es gibt neue Einkaufsmöglichkeiten und den Neubau von Schulen. Das heisst, die Nachbarschaftseffekte können sehr positiv sein.»

Die Neubausiedlung Kronenwiese in Zürich, 2017
Legende: Die Neubausiedlung Kronenwiese in Zürich, 2017. Keystone/Christian Beutler

Diese positiven Effekte würden aber tendenziell unterschätzt. Auch, weil uns unsere Wahrnehmung ein Schnippchen schlägt, gewichten wir den Nutzen des Ist-Zustands tendenziell höher als den des Bauprojekts, wenn der Abstimmungskampf losgeht.

Visualisierungen der Wohnungen

Bauherren versuchen dieser Wahrnehmung gezielt entgegenzutreten. Sie wollen die Opposition gerade in der Nachbarschaft entkräften, etwa bei der Dokumentation der Projekte, so Schelker.

Am Schluss jedoch sind politische Mehrheiten nur möglich, wenn auch die Grösse stimmt, wenn in der Grossstadt genügend Menschen genügend weit von der Belastung Grossüberbauung weg sind. Schelker von der Uni Freiburg sagt: «Man kann auch Quartierminderheiten überstimmen.»

Video
Aus dem Archiv: Wohnungsnot in der Schweiz
Aus 10 vor 10 vom 06.03.2023.
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Das Nichtwissen, wie stark man direkt von einem Projekt betroffen ist, macht es einfach, im Grundsatz Ja zu sagen. Werden die Bauprofile aufgestellt und die Projekte konkret, tendiert der Mensch dagegen zum Bestehenden – vor allem lokal stärkt das den Widerstand gegen grosse Projekte.

Echo der Zeit, 09.03.2023, 18 Uhr

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