Pragmatisch und mit einem offenen Ohr für die Sorgen der Bevölkerung: Dieses Image hat sich Beat Jans in den ersten 100 Amtstagen erarbeitet. Der SP-Bundesrat legt den Schwerpunkt auf Sicherheitsprobleme rund um Asylzentren.
Und er will mit schweizweiten 24-Stunden-Verfahren für Tunesier, Algerier und Marokkaner diejenigen Menschen abschrecken, die kaum Chancen haben auf Asyl in der Schweiz. Das ist taktisch geschickt: Jans richtet sich ans breite, bürgerliche Publikum – mit Erfolg: Bis weit ins rechte Lager hinein geniesst der Neo-Bundesrat (noch) viel Wohlwollen.
Jans lernt aus Fehlern seiner Vorgängerin
Der SP-Bundesrat hat aus den Fehlern seiner Parteikollegin, Vorgängerin und Kurzzeit-Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider gelernt. Diese versuchte noch in den ersten 100 Tagen, den Kantonen die Wiederaufnahme des Resettlement-Programms schmackhaft zu machen.
Sie wollte also wieder Flüchtlinge direkt aus Krisengebieten ins Land holen – zu einer Zeit, in der die Kantone händeringend Unterkünfte suchten. Damit verspielte sie den Vertrauensvorschuss, den neue Bundesratsmitglieder fast immer haben, und geriet in die Defensive.
Bereits ein erstes Zurückkrebsen?
Jans also macht es anders. Doch auch seine Methode birgt Risiken. An seinen Ankündigungen nämlich muss er sich messen lassen.
Im Februar dachte er darüber nach, Asylzentren samstags und sonntags im Grundsatz zu schliessen, weil manche Menschen sie missbrauchen würden als kostenlose Wochenendunterkunft. Für Nordafrikaner stellte er überdies eine neue gesetzliche Regelung zur Diskussion, wonach diese ihre Asylgesuche schriftlich begründen müssten. Beide Ideen sind rechtlich, auch völkerrechtlich heikel. Heute erwähnte sie Jans nur noch auf Nachfrage und deutlich zurückhaltender. Vielleicht kein Zufall.
Jetzt kommen die praktischen Probleme
Die Zeit der grossen Ankündigungen scheint vorbei. Nun kommen die praktischen Probleme.
Stichwort Asylpendenzen: Hier setzt Jans auf zusätzliche Bundesangestellte, die die über 15'000 hängigen Asylgesuche erledigen sollen. Stichwort Ukraine: Der Bundesrat möchte die Erwerbsquote von ukrainischen Kriegsflüchtlingen bis Ende Jahr fast verdoppeln. Ein sehr ehrgeiziges Ziel. Nächsten Monat will Jans Vorschläge bringen. Mit seiner Aussage heute, man müsse den Status S für die ukrainischen Flüchtlinge neu denken, setzt sich Jans zusätzlich unter Druck. Wohin er steuern will, sagt er nicht.
Stichwort Unterkünfte: Fürs laufende Jahr fehlen dem Bund voraussichtlich noch über 2000 Betten. Die Suche nach Unterkünften brachte Jans’ Vorgängerin in einige Konflikte mit den Kantonen. Jans will mit den Kantonen eine Gesamtstrategie erarbeiten. Konkreter wird er noch nicht.
Wie reagiert Jans unter Druck?
Das Parlament dürfte den Druck auf Asylminister Jans schrittweise erhöhen – das rechte Lager ging gestärkt aus den Wahlen hervor. Auch politisch sehr schwer umsetzbare Forderungen wie die Ausschaffung abgewiesener Eritreer in einen Drittstaat können mehrheitsfähig werden. Wie Jans mit diesem Druck umgeht, ist offen.
Beim ersten grossen Rencontre mit der SVP im Nationalrat vor wenigen Wochen reagierte er auf wiederholte, kritische Fragen leicht gereizt. Im Austausch bleiben mit den politischen Parteien, das Terrain sondieren für realistische Reformen – und gleichzeitig stets die Kantone an Bord haben: Das ist das A und O in der Asylpolitik. Und hier muss sich Beat Jans erst noch beweisen.