Bei neuen Infektionskrankheiten dauert es normalerweise gut ein Jahr, bis Molekularbiologen wie Thomas Stauffer einen soliden Test in der Hand halten. Ganz anders aber ist es jetzt, wo es um Bluttests geht, die Antikörper auf das neue Coronavirus nachweisen sollen: «Die Schwierigkeit ist, dass diese Tests in kürzester Zeit entwickelt worden sind. Darum hat man das Gefühl und das Handling für diese Tests noch wenig.»
Stauffer ist Geschäftsführer des medizinischen Labors Medics, das im Auftrag von Ärztinnen und Ärzten diagnostische Tests durchführt.
Gefürchtete «Cross-Reaktivitäten»
Das Gefühl für einen Test zu bekommen, heisst zum Beispiel, dass man seine Genauigkeit kennenlernen muss. «SARS-Cov2 hat einen Vorläufer, das war SARS-Cov1. Dieser war etwa 2003 aktiv. Dann gibt es auch noch andere Coronaviren. Es kann zu sogenannten Cross-Reaktivitäten kommen. Die Schwierigkeit ist zu eruieren, wie spezifisch diese Tests sind.»
Im Falle von Cross-Reaktivitäten könnten die aktuell verfügbaren Tests auch auf andere Antikörper reagieren – nicht nur auf jene gegen das neue Coronavirus. Zudem konnten die Tests nicht mit annähernd so vielen Probanden validiert werden, wie das üblicherweise der Fall ist.
Schnelltests sind noch ungenauer
Der Test, den Thomas Stauffer validiert, stammt aus China. Weltweit gibt es derzeit nur eine knappe Handvoll Firmen, die solche Bluttests für Spezial-Labore herstellen können. All jene Schnelltests, die man im Internet kaufen kann, sind noch deutlich ungenauer und erlauben keine Aussage darüber, ob man die Antikörper gegen das neue Coronavirus tatsächlich im Blut hat.
Jan Fehr, Epidemiologe an der Universität Zürich, plant aktuell zusammen mit verschiedenen Hochschulen und Fachhochschulen eine Studie, die in der breiten Bevölkerung untersuchen will, wer schon Antikörper gegen das neue Coronavirus hat. Auch er fasst zusammen: «Die Antikörper-Tests, die verfügbar sind, sind noch nicht wirklich validiert.»
Darum lasse sich mit ihnen nicht verlässlich feststellen, wie weit die Infektion in der Bevölkerung bereits fortgeschritten sei. Fehr und sein Team legen diese Studie deshalb mittel- bis langfristig aus. Auch, weil bis in einigen Monaten hoffentlich noch bessere Antikörper-Tests auf den Markt kommen.
Nach der Krankheit immun?
Offen bleibt die Frage, ob die Menschen, die Antikörper gegen das neue Coronavirus im Blut haben, tatsächlich immun sind. Viele Virologen und Infektiologen antworten darauf ähnlich zurückhaltend wie Thomas Stauffer: «Man kann davon ausgehen, dass es eine gewisse Immunität gibt. Wie gut diese ist, wie lange sie anhält und ob sie wirklich mit den Antikörpern korreliert, das weiss man noch nicht.»
Das heisst: Wenn der Bundesrat am Donnerstag bekannt geben will, wie die aktuellen Massnahmen gelockert werden sollen, dann kann er dafür noch nicht auf genügend verlässliche Antikörper-Tests zählen.