Die Bewohnerinnen und Bewohner von Brienz/Brienzauls in Graubünden müssen sich wieder auf eine Evakuierung einstellen. Das hat die Gemeinde Albula/Alvra am Samstag bekanntgegeben. Grund sind die 1.2 Millionen Kubikmeter Schutt und Geröll oberhalb des Dorfes, die sich langsam talwärts bewegen.
Der Geologe und Leiter des Frühwarnsystems, Stefan Schneider, warnt, dass sich mit Regen die Situation verschärften könnte. «Wenn es das nächste Mal regnet, müssen wir davon ausgehen, dass die Geschwindigkeiten auf der Schutthalde zunehmen.» Ein Kollaps sei dann nicht mehr ausgeschlossen.
Darum müssen die Menschen das Dorf verlassen. Wann genau und wie lange, ist unklar. «Es ist gut möglich, dass wir die Leute jetzt evakuieren, und es passiert lange nichts», sagt Schneider.
Es ist eine schwierige Situation für die etwa 90 Bewohnerinnen und Bewohner. Wie schon in der Vergangenheit müssen sie mit wochen- und monatelanger Unsicherheit leben. Gibt es nicht eine andere Lösung, die Gefahr rasch zu bannen, statt ihr «aus dem Weg zu gehen»?
Sprengung zu gefährlich und rechtlich heikel
Ein Vorschlag ist, die Schutthalde kontrolliert zu sprengen. Damit hat sich auch Geologe Schneider und sein Team befasst. Die Experten sind zum Schluss gekommen, dass zu viel dagegen spricht.
Einerseits müsste man im Geschiebe im Hang Bohrlöcher anbringen. «Das ist einfach zu gefährlich und schlicht nicht möglich», sagt Schneider. Auch mit einem Roboter liesse sich dies kaum bewältigen.
Andererseits stelle sich bei einer Sprengung die Frage, wer für allfällige Schäden im Dorf aufkommt. Zuerst bräuchte es dazu gesellschaftliche und politische Diskussionen. Dies sei aber nicht ganz einfach. «Stand heute und auch in Zukunft bezweifle ich, dass eine Sprengung möglich sein wird.» Ganz vom Tisch sei das Thema aber nicht.
Entwässerungsstollen erst 2027 fertig
Die Experten haben sich auch noch mit einer anderen Möglichkeit befasst: einem Schutzwall. Die 1.2 Millionen Kubikmeter Felsmaterial sind aber laut Geologe Schneider zu viel. «Sie würden über einen Damm fliessen oder ihn sogar wegschieben und zerstören.» Auch das ist also keine Lösung.
Tatsächlich arbeiten die Behörden für Brienz/Brienzauls bereits an einer Lösung, um die Rutschung zu verlangsamen. Unter dem Dorf entsteht ein Entwässerungsstollen. Er soll das Wasser im Hang ableiten. Die Wirkung konnten die Fachleute mit einem Sondierstollen bereits beweisen, dieser wird nun ausgebaut. Das Vorhaben kostet rund 40 Millionen Franken.
Der Ausbau hat aber erst im Juni dieses Jahres begonnen. «Man ist mit Hochdruck daran», sagt Geologe Schneider. «Die Wirkung wird sukzessive und vorzu eintreten.» Die Bauarbeiten enden voraussichtlich Ende 2027. Die Massnahme wirkt also erst mittelfristig.
Bei akuter Gefahr wie jetzt bleibt für das Dorf also nur die Evakuation. Einen genauen Zeitpunkt kann der Leiter des Frühwarndienstes nicht nennen. «Man muss davon ausgehen, dass wir in den nächsten Tagen die Empfehlung aussprechen müssen», sagt Schneider. Damit gilt für das Bündner Bergdorf seit Samstag die Gefahrenlage Gelb.