- Das Dorf Brienz GR muss sich auf einen erneuten Felssturz vorbereiten, wie die Gemeindebehörden mitteilen.
- Eine Steinlawine könnte mit einer Geschwindigkeit von über 80 Kilometern pro Stunde das Dorf erreichen.
- Möglicherweise müssen die Bewohnerinnen und Bewohner bereits in den kommenden Tagen evakuiert werden.
Die etwa 90 Menschen, die in Brienz GR leben, wurden informiert, dass sie möglicherweise schon in den kommenden Tagen ihre Häuser verlassen müssen und im schlimmsten Fall mehrere Monate lang nicht mehr zurückkehren können. Eine Entscheidung und ein Zeitpunkt für solch einen Schritt wurden noch nicht festgelegt.
«Bereiten Sie sich bitte umgehend darauf vor», sagte Pascal Porchet, Leiter des kantonalen Amts für Militär und Zivilschutz am Samstagabend vor Betroffenen in Tiefencastel GR. Es solle alles mitgenommen werden, was mit Geld nicht ersetzt werden könne. Es drohe eine Evakuierung von mehreren Monaten.
«Wie lange wollen Sie uns das noch zumuten?», fragte ein Bewohner von Brienz die Behörden am Samstagabend in Tiefencastel GR. Er lebe mit gepackten Koffern. Man müsse sich vorstellen, was das mit einem mache.
Information der Gemeinde:
Der Gemeindepräsident Daniel Albertin versuchte die Stimmung zu beruhigen: «Sie können auf unsere Solidarität vertrauen.» Er verwies auf den laufenden Bau des 2.3 Kilometer langen Entwässerungsstollens unterhalb des Dorfes. Für 40 Millionen Franken soll er die Landmasse entwässern und so den Druck auf die Rutschungen reduzieren. Die Behörden hätten deshalb den Glauben nicht verloren, die Heimat zu erhalten, so Albertin weiter.
Dennoch musste er sich der Kritik stellen, nicht auf existenzielle Fragen zu antworten. Die Wohnbedingungen seien katastrophal, so ein weiterer Betroffener. Das gesamte Dorf rutscht derzeit 2.4 Meter pro Jahr talwärts. Die Häuser seien deshalb teilweise stark beschädigt. Türen würden nicht mehr schliessen, die Kanalisation funktioniere nicht mehr einwandfrei. Dennoch würden erst Totalschäden finanziell entschädigt.
Derzeit bewegt sich das Geröll mit rund 25 Zentimetern pro Tag. Niederschläge oder Felsstürze im Bereich der Schutthalde könnten die Geschwindigkeit auf 80 Kilometer pro Stunde oder mehr erhöhen, berichtete der Geologe Stefan Schneider den Einwohnern. Solch ein Schuttstrom seit zwar derzeit nicht wahrscheinlich, aber wenn er plötzlich eintrete, seien rechtzeitige Warnungen kaum mehr möglich.
Die 1.2 Millionen Kubikmeter absturzgefährdeten Gesteinsmassen seien im Vergleich zum letzten grossen Ereignis vom Juni 2023 sehr feucht. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass sie schneller abrutschen und weiter ins Dorf vordringen könnten. Im Juni letzten Jahres stoppte eine Steinlawine kurz vor dem Dorf.