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Berufstätige im Rentenalter Wenn man mit 65 weiterarbeiten will – aber nicht kann

Es gibt Rentnerinnen und Rentner, die weiterarbeiten wollen. Doch das lohnt sich für sie oft nicht. Wenn es nach dem Ständerat geht, soll sich das nun ändern.

Mit 60 Jahren sind über 80 Prozent der Männer erwerbstätig. Kurz vor dem gesetzlichen Rentenalter, mit 64, ist es noch etwa jeder Zweite, mit 65 jeder Fünfte und mit 67 sind es nur noch wenige. Bei den Frauen ist etwa ein Drittel der 63-Jährigen erwerbstätig. Mit dem Erreichen des Rentenalters sinkt die Quote auf unter 10 Prozent bei den 67-Jährigen.

David Dorn, Wirtschaftsprofessor an der Universität Zürich, würde eine höhere Quote begrüssen. Die Volkswirtschaft würde in vielerlei Hinsicht davon profitieren: «Wenn Personen länger arbeiten, können sie ihren grossen Erfahrungsschatz weiterhin der Wirtschaft zur Verfügung stellen», so der Arbeitsmarktexperte. «Und natürlich entlastet man so auch die Sozialwerke, weil die Leute länger in die AHV einzahlen.»

Administrative Hürden sind hoch

Doch nicht alle, die übers Rentenalter hinaus arbeiten wollen, können dies auch. Peter Burri Follath, Kommunikationsleiter bei Pro Senectute, stellt fest: «Viele wollen weiterarbeiten, aber das stellt sich oft als viel schwieriger heraus als es ist.» Es komme vor, dass jemand nicht in derselben Abteilung oder Branche bleiben kann, sich neu orientieren oder selbstständig machen muss.

Mit 68 auf der Baustelle: «Eine Grenze im Kopf»

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Schürch
Legende: srf

68 Jahre alt, doch vom Rentnerleben weit entfernt: Heinz Schürch ist selbstständiger Wirtschaftsprüfer. Er hat mehrere Mandate. Zum Beispiel ist er mitverantwortlich für den Bau eines Alters- und Pflegeheims in Biberist.

Pensioniert auf einen Schlag? Das konnte er sich nicht vorstellen. «Ich fühle mich noch geistig fit und habe viel Erfahrung, und ich wollte arbeiten», sagt er. «Aber das war mein Entscheid, einfach etwas weniger zu machen. Ich wollte meine Pensionierung über zehn Jahre verteilen.»

Für ihn war diese Mauer nicht unüberwindbar. In seinem Umfeld hingegen stellte er fest: «Es ist eine Grenze in den Köpfen: Mit 65 oder 64 ist einfach fertig.» Dabei sei das falsch. «Es fehlt der Anreiz. Und es braucht Unterstützung. Ich bin sicher, viele würden gerne länger arbeiten.»

«In gewissen Branchen ist es gar nicht möglich, länger zu arbeiten.» Und es sei ein administrativer Aufwand. «Man muss sich mit der Neuorientierung auseinandersetzen – und dann muss man auch noch einen Job finden», gibt Burri Follath zu bedenken.

Auf einen neuen Anreiz hat sich das Parlament am Dienstag im Rahmen der aktuellen AHV-Revision geeinigt: Monatslöhne von höchstens 1400 Franken im Rentenalter, die derzeit befreit sind von AHV-Abzügen, sollen künftig zur Schliessung von Beitragslücken verwendet werden können.

«Bei dieser Reform ist es wichtig, dass man jetzt schnell vorwärtsmacht, uns läuft die Zeit davon», sagt Burri Follath. «Der Topf wird immer kleiner. Insbesondere wenn man länger arbeiten muss oder will, ist es wichtig, dass die administrativen Hürden gesenkt werden, damit man, wenn man eine Aufgabe hat, bei der man etwas verdient, auch arbeiten kann.»


                

10 vor 10, 14.09.2021, 21:50 Uhr ; 

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