Ein bisschen mehr Freiheit soll es an der Grenze geben. Ab dem 11. Mai können alle mit Schweizer- oder EU-Pass ihre engste Familie wieder in die Schweiz holen. Die früher eingereichten Gesuche von Erwerbstätigen aus dem Ausland werden nun wieder bearbeitet. Diese Öffnungsschritte an der Grenze sind klein – auch die Grenzkontrollen bleiben bestehen.
SRF News: Frau Bundesrätin, bei der Öffnung der Wirtschaft drückt der Bundesrat aufs Tempo. An der Grenze hingegen gehen die Lockerungen viel weniger voran. Warum so zögerlich?
Karin Keller-Sutter: Gesuche von Personen aus dem EU- oder EFTA-Raum, die vor dem 25. März ein Einreisegesuch gestellt haben, werden jetzt wieder bearbeitet, damit Dienstleistungserbringer ihre Arbeit machen können. Das begleitet natürlich die Lockerungsschritte, die wir jetzt auch in der Wirtschaft vorsehen. Und es ist auch auf einer Linie mit unseren Nachbarstaaten, weil unsere Nachbarstaaten auch keine Öffnungen vorsehen.
Was bedeutet die Lockerung für Liebespaare ohne Trauschein oder in eingetragener Partnerschaft?
Liebespaare in eingetragenen Partnerschaften, die können sich sehen. Ehepaare können sich sehen, das ist so. Der Fokus des Bundesrates liegt jetzt auf der wirtschaftlichen Öffnung. Und die Öffnungen, die an der Grenze stattfinden, sind arbeitsmarktbezogen. Wenn es die Pandemie-Lage am 18. Juni erlaubt, dann kommen wir mit der Freizügigkeit mit der EU oder EFTA wieder in eine Normalisierung hinein. Das ist auch die Position unserer Nachbarstaaten.
Der Fokus des Bundesrates liegt jetzt auf der wirtschaftlichen Öffnung.
Nehmen wir das Beispiel Kreuzlingen, das eigentlich mehr oder weniger zusammengewachsen ist mit Konstanz. Da verstehen es viele nicht, dass sie schon bald wieder Ellbogen an Ellbogen im Restaurant sitzen können, während der Besuch im Nachbarland untersagt bleibt.
Gut, Ellbogen an Ellbogen wird man im Restaurant kaum sitzen können. Ich komme ja auch aus einer Grenzregion und ich freue mich natürlich auch darauf, wenn die Grenzen wieder aufgehen, dass die Menschen wieder formlos verkehren können oder die Freiheit haben, reisen zu können. Das ist ein grundlegendes Recht, eine grundlegende Freiheit. Wir haben das eingeschränkt, um die Menschen zu schützen. Auch die Position der Nachbarstaaten ist es, dass man keine Mobilität will. Diese ist derzeit unerwünscht und so wird es auch noch einen Moment bleiben müssen.
Auch die Position der Nachbarstaaten ist es, dass man keine Mobilität will.
Wann sind Auslandsreisen wieder möglich?
Das ist aus heutiger Sicht sehr schwierig zu sagen. Ich bin in ständigem Kontakt vor allem mit den Ministerkollegen aus den Nachbarstaaten. Es wird davon abhängen, wie die Pandemie-Lage in der Schweiz ist. Zudem hängt es davon ab, welche Restriktionen in einem Staat gelten. Die Aussagen sind zum Teil auch widersprüchlich. Einerseits sind Schweizerinnen und Schweizer willkommen, andererseits raten Länder ihre Bürger dazu auf, die Ferien im Heimatland zu verbringen. Man fürchtet sich vor einer erhöhten Mobilität.
Es könnte auch sein, dass einfach nur bilateral die Grenzen aufgehen. Zum Beispiel zwischen der Schweiz und Österreich, aber noch nicht zwischen der Schweiz und Italien?
Das wäre gut möglich, weil beispielsweise Österreich auf einem vergleichbaren Stand ist wie die Schweiz. Das sind dann bilaterale Absprachen. Aber wir verständigen uns auch pragmatisch. Gerade mit Österreich ist es so, dass man vielleicht jetzt nicht den Tourismus sofort wieder erlauben kann. Aber, dass man dort vielleicht gewisse Lockerungen erlässt als Nachbarstaat. Das erachte ich als möglich. Es ist ein Szenario, das auch mit Deutschland denkbar ist.
Auf welche Lockerung freuen Sie sich persönlich am meisten?
Ich freue mich darauf, irgendwann meine Familie und Freunde wiederzusehen. Einmal auswärts essen zu gehen mit ihnen und sich einfach wieder unbeschwert bewegen zu können.
Das Gespräch führte Nathalie Christen