Das Schloss Herdern in der Nähe von Frauenfeld ist eine Wohn- und Arbeitsstätte für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung. Der angegliederte Gutsbetrieb ist einer der grössten im Kanton Thurgau. Mit Milchwirtschaft, Viehzucht, Ackerbau, Obst- und Gemüseanbau ist er ein klassischer Mischbetrieb.
Nach Jahrzehnten konventioneller Landwirtschaft will man nun neue Wege gehen. Die Verantwortlichen sprechen von einer Zäsur in der Geschichte der Institution. «Wir müssen jetzt Farbe bekennen, Verantwortung übernehmen und die Produktionsmethoden verändern», sagt Geschäftsführer Armin Strom.
Fokus auf den Boden
Die Bodenbewirtschaftung beispielsweise wolle man künftig ganz anders machen, so Strom. Sie soll schonender erfolgen und der Boden somit möglichst wenig gestört werden.
Der Pestizideinsatz soll so drastisch reduziert werden.
Ziel der regenerativen Landwirtschaft ist es, mit verschiedenen Massnahmen über die Zeit wieder Humus im Boden aufzubauen und die Qualität der Erde zu verbessern. «Der Pestizideinsatz soll so drastisch reduziert werden, bis darauf verzichtet werden kann», erklärt Armin Strom.
Um sich der regenerativen Landwirtschaft zu widmen, ist keine Zertifizierung oder ähnliches nötig. Daher ist es, laut Daniel Bärtschi, auch schwierig zu sagen, wie viele Bauernhöfe bereits in diese Richtung produzieren. Bärtschi ist Präsident des Vereins «Agricultura Regeneratio». Man verstehe sich als Verband der Betriebe, die regenerativ arbeiten. Aktuell seien 120 Landwirtschaftsbetriebe Mitglied bei ihnen im Verein.
Regenerative Landwirtschaft: dehnbarer Begriff, aber in aller Munde
Von der wissenschaftlichen Seite her nähert sich Jeremias Niggli der regenerativen Landwirtschaft. Er ist Berater beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) im aargauischen Frick. «Die regenerative Landwirtschaft ist in der bäuerlichen Praxis zurzeit in aller Munde», sagt Niggli. Seit 2020 laufen beim Fibl deshalb zwei Forschungsprojekte zum Thema, Niggli begleitet diese.
Zum einen geht es darum, zu definieren, was überhaupt regenerative Landwirtschaft ist. Richtlinien, die eine scharfe Abgrenzung und Definition ermöglichten, würden nicht existieren, sagt Niggli. Jeder Bauer und jede Bäuerin, die regenerative Landwirtschaft betreibe, mache es etwas anders.
Das Ziel ist klar, der Weg dorthin ist aber nicht eindeutig definiert.
Eine spezielle Stellung habe bei der regenerativen Landwirtschaft der Boden. Mit Humusaufbau die Bodenqualität im Ackerbau zu verbessern, sei ein zentraler Pfeiler dieser Art der Landwirtschaft. «Das Ziel ist klar, der Weg dorthin ist aber nicht eindeutig definiert.» Da will Jeremias Niggli in den nächsten Jahren Antworten liefern.
Wissenschaftliche Daten sollen Klarheit bringen
Bei rund 30 Betrieben werden aktuell Experimente im Feld durchgeführt. «Wir versuchen nun die verschiedenen Methoden, die in der Praxis etabliert sind, zu untersuchen», erklärt Niggli. «So möchten wir künftig eine Beurteilung abgeben können, wie die Methoden anzuwenden sind und wie erfolgversprechend sie sind.»
Es sei wichtig, dass die Branche die Einflüsse der regenerativen Landwirtschaft aufgreife. «So können wir den Biolandbau und die gesamte landwirtschaftliche Praxis hoffentlich weiterentwickeln.» Niggli rechnet 2023 mit ersten Resultaten und Zahlen zu den laufenden Versuchen.