Mit 0.8 Promille Blutalkoholwert sitzt ein Proband am Steuer eines Fahrzeugs. Und das, um künftig Autounfälle verursacht durch Alkoholkonsum zu verhindern. Was paradox klingt, passiert im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Bern, der ETH Zürich und der Universität St. Gallen.
Das Ziel: In Autos verbaute Systeme sollen erkennen, dass sich eine alkoholisierte Person hinters Steuer gesetzt hat.
Funktionieren soll dies mit einer fahrergerichteten Kamera, erklärt Robin Deuber, der als Doktorand der ETH das Projekt eng begleitet. «Mit den Kameras, die wir haben, können wir den Blick herausrechnen und sehen, wo eine Person hinschaut. So erkennen wir beispielsweise den Tunnelblick einer Person.»
Diese ersten Erkenntnisse können die Forschenden aus einer Studie am Simulator ziehen. Weitere Daten sollen nun in echten Fahrzeugen gesammelt werden: Probandinnen und Probanden fahren erst nüchtern und dann alkoholisiert über eine Teststrecke.
Studienleiter: «Möglich, dass ein Auto abbremst»
Bis das System tatsächlich alkoholisierte Lenkerinnen und Lenker erkennen kann, wird es also noch dauern.
Doch was könnte überhaupt passieren, wenn ein solches System künftig eine angetrunkene Person erkennt? «Möglich wäre eine Alarmleuchte und ein Signal. Ähnlich, wie wenn man sich nicht angurtet. Oder dass das Auto die Geschwindigkeit drosselt oder anhält», sagt Wolfgang Weinmann, Studienleiter und Professor der Universität Bern. Überlegen müssten sich das aber die Autohersteller.
Die Idee ist, dass die Alkoholerkennung in bereits im Fahrzeug verbaute Systeme integriert wird. So sind in neuwertigen Fahrzeugen bereits jetzt Müdigkeitserkenner vorhanden, die mit den gleichen fahrergerichteten Kameras funktionieren.
BFU sieht Alkoholerkennung als Chance
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) empfiehlt solche Sicherheitsassistenten. Nebst Müdigkeitserkenner gehören etwa Notbremse- oder Spurhalteassistenten dazu.
Zahlen zu deren Nutzen gibt es jedoch keine. Das BFU selbst schätzt, dass bis zu 50 Prozent der Unfälle verhindert werden könnten, wenn alle Fahrzeuge mit solchen Systemen ausgestattet wären.
Das tatsächliche Potenzial hängt davon ab, ob die Lenkerinnen und Lenker die Anweisungen auch wirklich befolgen.
So begrüsst das BFU auch die Forschung an der Alkoholerkennung. Denn: Bei rund zehn Prozent der schweren Verkehrsunfälle sei Alkohol im Spiel.
«Die Alkoholerkennung mittels Kamera ist ein möglicher Weg und guter Ansatz», sagt die stellvertretende Leiterin der Forschung, Jasmin Zimmermann. Doch schlussendlich sei und bleibe der oder die Fahrerin verantwortlich. Von den bereits verbauten Müdigkeitswarnern wisse man: «Das tatsächliche Potenzial hängt davon ab, ob die Lenkerinnen und Lenker die Anweisungen auch wirklich befolgen.»
USA verlangt Alkoholerkennung ab 2026
Bis ein solches System auf den Schweizer Strassen zum Einsatz kommt, wird es noch dauern. Die Forschenden gehen von bis zu zehn Jahren aus.
Anders in den USA: Dort dürfte die Nachfrage nach der Schweizer oder einer vergleichbaren Technologie bald kommen. Der Staat verlangt, dass bereits ab 2026 Neuwagen eine Technologie zur Alkoholerkennung verbaut haben. Ob eine so rasche Umsetzung realistisch ist? Darauf wollten sich auch die Schweizer Forschenden nicht festlegen.