Hier ist der Name Programm: «HelloWelcome» heisst der von einem Verein geführte Treffpunkt für Flüchtlinge und Einheimische in der Stadt Luzern.
Gut 20 Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern sitzen an diesem Nachmittag an den grossen Tischen im ersten Stock. Es wird Kaffee getrunken, diskutiert und gelernt. Oft leben sie seit Jahren als vorläufig Aufgenommene in der Schweiz oder stecken im Asylverfahren fest.
Die Nachteile mit F
Die ungleiche Behandlung der Flüchtlinge ist hier ein Thema. Ein junger Mann aus Afghanistan erklärt an einem Beispiel, wie ihn der Flüchtlingsstatus F im Alltag einschränkt: «Mit dem F-Status kann ich keine SIM-Karte kaufen.» Und ohne SIM-Karte gibt es kein Handy.
Seit gut zwei Jahren lebt der aus der Türkei stammende Fikret in als Flüchtling in der Schweiz. Auch er versteht nicht, warum die Ukraine-Flüchtlinge anders behandelt werden und beispielsweise gratis Bahn und Bus benutzen können.
Nassir, ein Kurde, sieht die Ursache der Ungleichbehandlung in der Hautfarbe: «Die Ukraine ist weiss, andere Länder sind andersfarbig.» Viele im Flüchtlingstreff sind zudem überzeugt, dass auch die Religion eine Rolle spielt.
Die Vorteile mit S
Viele Geflüchtete haben in der Schweiz den Schutzstatus F. Er steht für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Das sind Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, die aber nicht ausgeschafft werden, weil die Lage in ihrer Heimat keine Rückkehr zulässt. Die vorläufige Aufnahme bedeutet nicht, dass diese Menschen nur kurz in der Schweiz bleiben.
Für die Flüchtlinge aus der Ukraine wurde erstmals der Schutzstatus S aktiviert, der ebenfalls nur vorübergehenden Schutz bietet. Menschen mit Schutzstatus S sind aber viel weniger eingeschränkt: Sie dürfen sofort arbeiten, durchlaufen kein Asylverfahren und dürfen Familienangehörige in die Schweiz holen.
Problem Familiennachzug
Beim Familiennachzug zeige sich die Ungleichbehandlung besonders deutlich, sagt Barbara Müller, Koordinatorin im Treff: Wir haben seit September über 200 Gesuche für humanitäre Visa für Angehörige aus Afghanistan ans Staatssekretariat für Migration geschickt. Davon ist ein einziges bewilligt worden.»
Müller begrüsst die offene Haltung der Schweiz gegenüber den Staatsangehörigen aus der Ukraine. Sie möchte aber, dass alle Flüchtlinge die gleichen Rechte erhalten.
Rechtsgleichheit fordert auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Mediensprecherin Eliane Engeler bekräftigt: «Rascher Familiennachzug, Reisefreiheit, rascher Zugang zum Arbeitsmarkt und Integrationsmassnahmen – das muss für alle Flüchtlinge gelten, solange sie nicht in ihre Heimat zurückkehren können.»
Der Schutzstatus – ein Politikum
Ob die Politik diese Forderungen erfüllen wird, ist zu bezweifeln. Der Status F sorgt seit der Einführung 1986 regelmässig für politischen Zündstoff. Erst im letzten Jahr verschärfte das Parlament die Reisebestimmungen für F-Flüchtlinge. Auch Justizministerin Karin Keller-Sutter verneinte kürzlich eine Ungleichbehandlung der Flüchtlinge in der Schweiz.
Reza Hosseini arbeitet im Flüchtlingstreff als Assistent, hilft beim Deutschlernen und berät in Alltagsfragen. Als Kind flüchtete er von Afghanistan in den Iran. Später flüchtete er erneut und kam in die Schweiz. Dass es im «HelloWelcome» wegen der Ungleichbehandlung zu Konflikten kommt, glaubt er nicht: «Wir haben genug Konflikte und Krieg – und kein Problem mit der Ukraine.»