Goodwill schaffen, dann die Position der Schweiz konsolidieren und anschliessend ein breites Paket verhandeln – die Bilateralen III. Das ist in Kurzform der Vorschlag, den der ehemalige Staatsekretär Michael Ambühl gemeinsam mit der Verhandlungswissenschaftlerin Daniela Scherer vorlegt. Beide arbeiten heute am Institut für Verhandlungsführung der ETH Zürich.
Proaktiv handeln
Den Vorschlag zum Plan B haben sie in der Publikation «Jusletter» veröffentlicht. Es sei sinnvoll, wenn die Schweiz nun vorwärts gehe, sagt Scherer: «Die EU ist die wichtigste Partnerin der Schweiz. Andererseits ist es als kleinere Verhandlungspartei wichtig, proaktiv Vorschläge einzubringen.» Nur so bleibe die Schweiz am Steuer und müsse nicht auf den Beifahrersitz.
Nur so kann man am Steuer bleiben und muss nicht auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.
Als ersten Schritt schlagen sie vor, dass die Schweiz Schritte unternimmt, um in Brüssel Wohlwollen zu erzeugen: Etwa die Kohäsionsmilliarde zahlen, zusätzliche politische Kontakte knüpfen, Kooperationen im Gesundheitsbereich und der Klimapolitik anbieten. Das sei nötig, weil die Schweiz die Verhandlungen formell beendet habe, und um das Terrain für eine neue Phase einer konstruktiven Zusammenarbeit zu ebnen, so Scherer.
Erklärung zur Europapolitik
In einem zweiten Schritt soll der Bundesrat eine politisch breit abgestützte Erklärung zur Europapolitik formulieren. Denn nach dem Rückzug des EU-Beitrittsgesuchs und dem Verhandlungsabbruch beim Rahmenabkommen sei es der EU nicht mehr klar, was die Schweiz eigentlich wolle.
Dann gelte es in einem dritten Schritt, die Bilateralen III auszuhandeln. Darin soll sich die Schweiz auf die Übernahme von EU-Recht, etwa in der Gesundheit, einigen. Die strittigen Punkte rund ums Rahmenabkommen – Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen – sollen ausgenommen werden.
Schiedsgericht ohne EuGH
Im Streitfall sollen gemäss Vorschlag beide Parteien Strafmassnahmen ergreifen können. Dabei soll ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht nur über die Verhältnismässigkeit der Massnahmen befinden, ohne den Europäischen Gerichtshof anzuhören.
«Die dynamische Rechtsübernahme, die neue Streitbeilegung und die Erhöhung der Kohäsion bringen eine klare Verbesserung des Status quo für die EU. Zugleich wird aus Schweizer Sicht die vielzitierte Erosion des bilateralen Weges verhindert und das Verhältnis in geregelte Bahnen gelenkt», so Scherer.
Aus Schweizer Sicht wird die vielzitierte Erosion des bilateralen Weges verhindert und das Verhältnis in geregelte Bahnen gelenkt.
EU-Gegner und -Befürworter melden Kritik an
SVP-Nationalrat und Aussenpolitiker Franz Grüter begrüsst zwar die Ausklammerung des Europäische Gerichtshofs, findet den Vorschlag aber trotzdem nicht gut: «Die Schweiz würde mit dem Vorschlag aber weiterhin die Unabhängigkeit verlieren, denn dieser spricht weiterhin von Rechtsübernahme. Die Schweiz aber will ihre Rechtsetzung selber festlegen.»
Zudem könne die Schweiz der EU nichts ohne Gegenleistung anbieten. Das sei, wie wenn sie sich für den Abbruch der Verhandlungen entschuldigen würde, so Grüter.
Die Schweiz kann der EU nichts ohne Gegenleistung anbieten. Das ist, wie wenn sie sich für den Abbruch der Verhandlungen entschuldigen würde.
Cottier nicht überzeugt
Auch der emeritierte Europarechtler und Präsident der Organisation «La Suisse en Europe», Thomas Cottier, ist von diesem Plan B nicht überzeugt: «Es ist in erster Linie eine Wunschvorstellung aus schweizerischer Sicht und nimmt die Bedürfnisse der EU noch nicht wirklich mit hinein.»
«Es ist in erster Linie eine Wunschvorstellung aus schweizerischer Sicht und nimmt die Bedürfnisse der EU noch nicht wirklich mit hinein.
Denn die EU akzeptiere keine Beteiligung am Binnenmarkt mehr, ohne dass im Streitfall der Europäische Gerichtshof etwas zu sagen habe. Wenn die Schweiz das nicht wolle, so müsse sie aus dem gemeinsamen Binnenmarkt ausscheiden – so wie Grossbritannien.