Seit einem Jahr herrscht Tauwetter in der schweizerisch-französischen Beziehung. Heute Mittwoch kommt erstmals seit acht Jahren ein französischer Präsident auf Staatsbesuch: Emmanuel Macron wird in Bern empfangen. Warum die Beziehung unterkühlt war und welche Inhalte während des Staatsbesuchs angesprochen werden könnten, erklärt SRF-Frankreichkorrespondentin Mirjam Mathis.
Was hat zu Emmanuel Macrons Staatsbesuch geführt?
Vor einem Jahr hatte der damalige Bundespräsident Ignazio Cassis Emmanuel Macron bei einem bilateralen Gespräch in Paris in die Schweiz eingeladen. Diese Einladung hat der diesjährige Bundespräsident Alain Berset bekräftigt, und der französische Präsident hat sie angenommen.
Angesichts der starken wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Länder ist der Besuch eigentlich keine grosse Überraschung, aber seit 2021 waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich ziemlich unterkühlt. Nach dem Entscheid, doch nicht den französischen Kampfjet Rafale zu kaufen, gab es keine ministeriellen Treffen mehr mit Frankreich und erst recht keine bilateralen Gespräche mit dem Präsidenten. Die Stimmung taut seit einem Jahr langsam auf und gipfelt nun in Macrons Staatsbesuch.
Was bringt dieser Staatsbesuch inhaltlich?
Frankreich ist besonders an einer engen Zusammenarbeit im Bereich der Innovation und der Wissenschaft interessiert. Dies zeigt auch das Programm am zweiten Tag des Staatsbesuchs: Macron wird an der Universität Lausanne eine Rede halten, sich mit französisch-schweizerischen Start-ups austauschen und die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) in der Nähe von Genf besuchen. Auch über die Beziehung zur Europäischen Union und die gemeinsame Haltung in den aktuellen Konflikten im Nahen Osten sowie in der Ukraine wird Macron mit dem Bundesrat sprechen.
Es gibt aber auch konfliktreichere Themen, die am Staatsbesuch angesprochen werden könnten: die ungelöste Situation bezüglich Arbeitsrecht am Euroairport in Basel-Mulhouse, die besonders für die Schweiz schwierig ist, die Regulierung des Wasserstandes von Rhône und Genfersee, sowie der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auf der französischen Seite der Grenze.
Gelöst werden diese bilateralen Schwierigkeiten am Staatsbesuch wohl nicht, aber die Themen auf oberster Ebene anzusprechen, könnte ein hilfreicher Impuls sein, um in Zukunft eine Lösung zu erarbeiten.
Macron hatte dieses Jahr mit den Protesten gegen die Rentenreform und später den Krawallen in den Banlieues innenpolitisch gleich zwei Krisen zu bewältigen, wie ist die Situation derzeit in Frankreich?
Aktuell gibt es in Frankreich keine grössere Protestbewegung, die Gemüter haben sich beruhigt. Allerdings hat die Beliebtheit des Präsidenten nach der Gelbwesten-Krise dieses Jahr erneut stark gelitten: Zwei Drittel der Bevölkerung sind gemäss Umfragen unzufrieden mit Macron.
Auch politisch ist der Rückhalt nicht sehr gross. Macron hat keine Mehrheit im Parlament und die Zusammenarbeit mit den Oppositionsparteien gestaltet sich schwierig. Diesen Freitag hat der Präsident die Parteispitzen zu einem Treffen eingeladen, die sozialistische Partei, La France Insoumise und die Republikaner, die aber bereits abgesagt haben. Dennoch kann dies Macron nicht wirklich gefährlich werden: Seine Stärke ist aktuell die Schwäche seiner Gegner, die es nicht schaffen, eine gemeinsame Opposition zu bilden, sondern einander zerfleischen.