An jenem 23. Juni 2021 dürfte es im Bundesrat hoch zu und hergegangen sein. Der Bundesrat beauftragte Finanzminister Ueli Maurer erneut, mit Paris Kontakt aufzunehmen. Die französische Regierung soll mündliche Zusagen bei Steuerfragen und beim Europadossier schriftlich bestätigen. Zusagen, die als Gegengeschäfte gedacht waren, sollte die Schweiz den französischen Kampfjet Rafale kaufen.
Aber überlegte sich der Bundesrat, wie dieser Wunsch nach Verschriftlichung in Paris verstanden werden dürfte?
Zunächst zur Vorgeschichte:
Die Schweiz und Frankreich verhandelten über ein Partnerschaftsabkommen. Man kann davon ausgehen, dass dieses die Besteuerung der Grenzgänger thematisierte, den Flughafen Basel, die polizeiliche Zusammenarbeit, die Schifffahrt auf der Rhone und noch weitere Themen wie etwa Gesundheitsfragen; und im Abkommen setzten sich die beiden Seiten Ziele, bis wann sie welche Fragen lösen wollen.
Als Frankreich dann während diesen Verhandlungen realisierte, dass der Rafale wohl nicht fliegen würde, wurde Paris bei Steuerfragen konkreter. Wie weitere Recherchen von Radio SRF nahelegen, betrachtete die französische Regierung das Ganze als Paket; und für sie scheint auch klar gewesen zu sein, dass mit dem Entgegenkommen bei der Steuerfrage im Gesamtpaket eben auch der Rafale günstiger kommen würde als der amerikanische F35. Und in dieser Situation verlangte der Bundesrat eine schriftliche Bestätigung für diese steuerliche Zusicherung.
Natürlich war das keine Zusage der Schweiz, dass sie den Rafale auch kaufen werde. Aber konnte Paris die Verschriftlichung des Angebots diplomatisch anders verstehen, als dass man sich de facto handelseinig war?
Frankreichs Unterstützung ausgeschlagen
Dass der Entscheid dann gegen den Rafale und für den amerikanischen F35 in Paris gar nicht gut ankam, ist bekannt. Das Partnerschaftsabkommen wurde schubladisiert und die Konsequenzen zeigen sich bis heute auch bei den Verhandlungen mit der EU. Auch dieses Thema lag damals logischerweise auf dem Tisch und ist der grössere aussenpolitische Kontext:
Der Kampfjet-Entscheid reihte sich nahtlos ein in andere politische Entscheide mit grosser aussenpolitischer Tragweite. Kurz vor dem Kampfjet-Entscheid versenkte der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU. Er wusste auch, dass er sich damit keine Freunde in Brüssel und den EU-Mitgliedstaaten machte. Umso wichtiger, wenn der Bundesrat auf Unterstützung in den wichtigen europäischen Hauptstädten zählen könnte. Frankreich bot das auch an. Aber der Bundesrat verprellte Paris – nicht nur mit seinem Kampfjet-Entscheid, sondern auch mit seinem Vorgehen.
Aussenpolitik ist Innenpolitik
Deshalb die Frage: Überlegte sich der Bundesrat an jenem 23. Juni, wie sein Verhalten in Paris ankommen dürfte? Und was die längerfristigen aussenpolitischen Implikationen sind?
Man sagt, Aussenpolitik sei Innenpolitik. Will heissen, die Innenpolitik bestimmt die Aussenpolitik. Und wenn man bedenkt, wie zerstritten der Bundesrat oftmals agiert, darf man nicht überrascht sein, wenn das Gremium – verstrickt in den internen Streitereien – die aussenpolitische Wirkung seines Handelns aus den Augen verliert. Gut möglich, dass das auch beim Kampfjet-Verfahren passierte.
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates untersucht die ganze Kampfjet-Beschaffung. Man darf gespannt sein, welche innen- beziehungsweise aussenpolitischen Noten sie dem Bundesrat bei der Kampfjet-Beschaffung gibt.