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Beziehung zur EU Ständerat gibt Kohäsionsmilliarde frei – gegen Widerstand der SVP

  • Der Ständerat will den ausstehenden Kohäsionsbeitrag in Höhe von 1.3 Milliarden Franken an die EU rasch deblockieren.
  • Er hat entschieden, die entsprechenden Rahmenkredite ohne neue Bedingungen freizugeben.
  • Der Nationalrat entscheidet am Abend.

Zwei Stunden debattierten die Ständerätinnen und Ständeräte über die Vorlage. Schliesslich stimmte die kleine Kammer der Freigabe der Kohäsionsmilliarde mit 30 zu 9 Stimmen zu. Sie folgte damit dem Bundesrat und ihrer Aussenpolitischen Kommission (APK-S), welche der Vorlage mit 11 zu 2 Stimmen zugestimmt hatte.

Kohäsionsmilliarde – darum geht es

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Am 3. Dezember 2019 hat das Parlament die Rahmenkredite für einen zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten bewilligt.

Insgesamt geht es bei der sogenannten Kohäsionsmilliarde um gut 1.2 Milliarden Franken, die über zehn Jahre ausbezahlt werden sollen. Das Ziel: Wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zwischen alten und neuen EU-Ländern zu reduzieren.

Der grösste Teil ist für den Rahmenkredit Kohäsion vorgesehen. Konkret soll über eine Milliarde Franken zu den 13 EU-Mitgliedstaaten fliessen, die seit 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, namentlich Bulgarien, Estland, Kroatien, Litauen, Lettland, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Dort sollen unter anderem Berufsbildungsprojekte finanziert werden.

Hoher Zeitdruck

Insbesondere bei den Kohäsionsprojekten ist der Zeitdruck hoch, weil das zugrundeliegende Gesetz Ende 2024 ausläuft. Gemäss dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) müssen die Mittel daher bis 3. Dezember 2024 verpflichtet werden.

Rund 190 Millionen Franken sollen an Staaten gehen, die besonders von Migration betroffen sind. Diese sollen in ihren Anstrengungen unterstützt werden, die Asylstrukturen zu stärken und ein effizienteres Asyl- und Rückkehrverfahren aufzubauen.

2006 hat das Stimmvolk in einer Referendumsabstimmung die erste Kohäsionsmilliarde genehmigt. Seit 2007 beteiligt sich die Schweiz folglich mit einem Erweiterungsbeitrag.

Die Räte haben den zweiten Schweizer Beitrag an die östlichen EU-Mitgliedstaaten in Höhe von 1.3 Milliarden Franken bereits im Jahr 2019 im Grundsatz verabschiedet. Das Parlament entschied dabei aber, dass die Gelder erst gesprochen werden sollen, wenn die EU keine diskriminierenden Massnahmen gegenüber der Schweiz mehr erlässt. Das bezog sich insbesondere auf die von der EU Ende Juni 2019 nicht verlängerte Anerkennung der Börsenäquivalenz. Die EU machte seither diesbezüglich keinen Schritt auf die Schweiz zu.

Ohne Freigabe kein Weiterkommen

Nach dem Abbruch der Verhandlungen um ein Rahmenabkommen will der Ständerat mit der Freigabe der Kohäsionsmilliarde wieder einmal ein positives Zeichen gegenüber der EU setzen. «Die gegenseitige Blockadepolitik hat auf keiner Seite die gewünschten Ziele erreicht, deshalb müssen wir sie beenden», sagte Kommissionssprecher Matthias Michel (FDP/ZG). Nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen gelte es nun die Interessenlage neu zu beurteilen.

«Es ist die Basis für die Fortführung des bilateralen Wegs.» Die Kohäsionszahlungen seien für den Marktzugang der Schweiz geschuldet, gab Pirmin Bischof (Mitte/SO) zu bedenken.  Es könne zwar niemand versprechen, dass die EU nach der Freigabe der Gelder einen Schritt auf die Schweiz zukomme, gab Daniel Jositsch (SP/ZH) zu. Klar sei aber: «Ohne Freigabe werden wir definitiv nichts erreichen.»

Kritik an bedingungsloser Freigabe der Gelder

«Hoffnung ist in der Politik ein schlechter Ratgeber», konterte Thomas Minder (parteilos/SH), der sich im Namen der Kommissionsminderheit gegen die Vorlage stark machte. Er bezeichnete die bedingungslose Freigabe der Gelder als «falsch und grobfahrlässig».

SVP-Präsident Marco Chiesa kritisierte die «kolonialistische Politik» der EU. Die EU sei auch auf die Schweiz als guten und wichtigen Vertragspartner angewiesen, nicht nur umgekehrt. «Ein Dialog ohne Vertrauensbasis ist zum Scheitern verurteilt», sagte Jakob Stark (SVP/TG).

Ein Dialog ohne Vertrauensbasis ist zum Scheitern verurteilt
Autor: Jakob Stark SVP/TG

Die Gegner der Vorlage im Ständerat – neben der SVP auch einzelne Vertreterinnen und Vertreter der Mitte – monierten weiter, dass die Freigabe im Eilzugtempo erfolgen soll.

Bundesrat will Zeichen setzen

Aussenminister Ignazio Cassis stand im Namen des Bundesrats für eine rasche Deblockierung der Gelder ein. «Wir müssen den Blick nun nach vorne richten.» Der Bundesrat wolle, dass die Schweiz auch ohne das institutionelle Abkommen eine zuverlässige und engagierte Partnerin der EU bleiben.

Cassis machte jedoch klar: «Eine Freigabe ist keine Garantie dafür, dass die Schweiz künftig bei Horizon Europe oder Erasmus plus mitmachen kann.» Es gelte nun aber, ein Zeichen zu setzen. Er machte aber auch klar, dass er eine solche politische Verknüpfung von sachfremden Geschäften für nicht zulässig hält.

Heute Abend entscheidet nun der Nationalrat über die Freigabe der Gelder. Es wird erwartet, dass auch die grosse Kammer die Gelder freigeben wird.

SRF 4 News, 30.09.2021, 11 Uhr ; 

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