Seit Monaten führen die Schweiz und die EU Sondierungsgespräche. Auch wenn beide Seiten von einer «positiven Dynamik» sprechen, gibt es noch immer Differenzen. Daher kommt der heutige Schritt des Bundesrats durchaus überraschend, dass er nun die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat ausarbeiten will.
Was noch ziemlich technisch tönt, heisst eigentlich nur eines: Der Bundesrat peilt ein Mandat an und will dann auch Verhandlungen mit der EU aufnehmen. Das ist die Botschaft des heutigen Tages.
Warum gerade jetzt?
Dass die Ankündigung gerade jetzt kommt, deutet auch auf eine neue Dynamik im Bundesrat hin. Er begründet seinen neuen Mut mit den Kantonen, die sich letzte Woche für Verhandlungen ausgesprochen haben, und versteckt sich etwas hinter ihnen.
Die wiedergewonnene Dynamik im Bundesrat könnte aber auch mit der neuen SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider zu tun haben, die als Justizministerin im Europaausschuss des Bundesrats sitzt. Wichtig dürfte schliesslich auch das internationale Umfeld sein – mit dem aussenpolitischen Druck und der lauter werdenden Frage, welche Rolle die Schweiz in Europa künftig spielen soll.
Klare Fronten
Parallel dazu will der Bundesrat jetzt auch innenpolitisch die Reihen schliessen. Er hat das Wirtschaftsdepartement beauftragt, mit den Sozialpartnern Lösungen beim umstrittenen Lohnschutz zu erarbeiten. Die Reaktionen der Parteien zeigen exemplarisch die politischen Befindlichkeiten.
Die SVP scheint überrumpelt: «Die SVP ist schockiert, dass der Bundesrat jetzt doch ein Rahmenabkommen plant. Wir werden die Unterstellung unter den Europäischen Gerichtshof und damit die Aushebelung des Schweizer Volkes und die automatische Übernahme von EU-Recht entschieden bis an die Urne bekämpfen», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi.
SP-Fraktionschef Roger Nordmann sieht endlich Bewegung in die Sache kommen: «Der Bundesrat möchte vorwärtsmachen und lässt erstmals vom Wirtschaftsdepartement Lösungen erarbeiten, wie man den Lohnschutz mit leichten Änderungen erhalten kann. Das ist die Basis für den Erfolg der Verhandlungen. Das finde ich gut.»
Stolpersteine klar definiert
Der Bundesrat muss nun innenpolitisch grosse Überzeugungsarbeit leisten. Und zwar nicht nur bei der SVP, wenn es um die dynamische Übernahme von EU-Recht oder um einen Streitschlichtungsmechanismus geht, bei dem der Europäische Gerichtshof eine wichtige Rolle spielt.
Zugleich muss die Lösung beim Lohnschutz auch von den Gewerkschaften getragen werden. Für Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund ist mit Blick auf die flankierenden Massnahmen klar: «Die Öffnung gegenüber Europa darf nicht auf Kosten der Arbeitnehmenden gehen, sondern muss ihnen nützen.»
Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt begrüsst das Signal des Bundesrats: «Es zeigt, dass zwar noch Abklärungen zu treffen sind, aber dass man letztendlich ein Verhandlungsmandat verabschieden möchte.»
Nach den Wahlen könnte es losgehen
Auch die EU begrüsst den Entscheid der Schweizer Regierung und sieht allgemein ein positives Momentum, wie sie schriftlich mitteilt. Die Eckwerte sollen bekanntlich im Sommer stehen. Dann müsste das Mandat ausgearbeitet werden. Weil dann noch Wahlen anstehen und das durchaus auch heikel ist, dürften Verhandlungen mit der EU frühestens nach den Wahlen beginnen können.