«Glauben Sie mir, ich schlafe nicht gut», sagt Ibrahim Alhamadeh der «Rundschau». Ein Monat ist vergangen, seit eine Hundeattacke das Leben seiner Familie auf den Kopf stellte. «Das Bild ist in mir drin: Ich sehe die ganze Familie, das Blut von meinem Kind.»
Schock sitzt tief
Ende Oktober kommt Alhamadeh mit Frau und Kindern vom Einkaufen zurück. Vor ihrem Wohnblock springt der Hund eines Nachbarn aus der Tür und greift die Familie an. Die Mutter und beide Kinder werden verletzt. Der fünfjährige Sohn muss mehrfach operiert werden.
Zugebissen hat ein Rottweiler. Er wurde mittlerweile eingeschläfert. In den Kantonen Wallis und Genf ist diese Rasse verboten, in zehn anderen Kantonen ist sie bewilligungspflichtig. In Zürich, wo die Familie wohnt, ist der Rottweiler erlaubt. Die Hundegesetze unterscheiden sich von Kanton zu Kanton stark.
Alhamadeh und seine Frau sind vor neun Jahren vor dem Krieg in Syrien geflohen. Sie können nicht verstehen, dass es hier kein einheitliches Gesetz gibt. Es gebe in der Schweiz sogar Gesetze zur Entsorgung von Hundekot. «Das ist wichtig. Aber ist denn das Leben der Menschen nicht wichtig?»
Nationale Verbotsliste?
Der Tessiner SVP-Nationalrat Piero Marchesi will strengere Regeln für gefährliche Hunde. In einer Motion fordert er eine nationale Hundeliste. Diese soll klar definieren, welche Rassen in der Schweiz verboten und welche bewilligungspflichtig sind. «Wir haben ein Sicherheitsproblem. Ich bin besorgt um die Kinder, die bei solchen Angriffen wehrlos sind.» Für ihn ist klar: «Es gibt Rassen, die für den Kampf ausgelegt sind. Diese Hunde sind offensichtlich gefährlicher als andere.»
Von solchen Hundelisten hält Albert Fritsche, Kantonstierarzt in St. Gallen, nichts. Der Kanton St. Gallen hat ein liberales Hundegesetz. Er kennt keine verbotenen oder bewilligungspflichtigen Rassen. «Es gibt keinen klaren Nachweis, dass die Rasse massgeblich für die Gefährlichkeit der Hunde entscheidend ist», sagt Fritsche. Mit nationalen Rassenlisten sei das Problem nicht gelöst. Häufig seien es politisch motivierte Entscheide, die solche Listen hervorbringen würden. «Die wissenschaftliche Antwort ist eine andere», sagt Fritsche. Entscheidend sei die Erziehung der Hunde, argumentiert auch der Bundesrat. Er lehnt die Motion von SVP-Nationalrat Marchesi ab.
Kampfhunde im Trend
Listenhunde zu halten, ist kompliziert. Die Halter müssen je nach Kanton viel beachten. Dennoch liegen solche Hunde im Trend. Die Zahl der Staffordshire Bullterrier etwa hat sich gemäss der Tierstatistik Identitas seit 2016 in der Schweiz fast verdreifacht. Tierschützer kritisieren: Hobbyzüchter würden die Hunde leichtfertig an unerfahrene Halter abgeben.
Ihr müsst euch um nichts kümmern.
Die «Rundschau» macht den Test und schreibt mehrere Online-Anbieter für Kampfhunde an. Während einige Züchter kritisch nachfragen, sind andere bloss daran interessiert, einen Hund möglichst schnell zu verkaufen. «Ihr müsst euch um nichts kümmern», sagt eine Hobbyzüchterin per Sprachnachricht.
Der Familienvater Ibrahim Alhamadeh sagt, seine Familie brauche noch lange, um die Attacke zu verarbeiten. Die Kinder hätten seither ständig Angst und trauten sich nicht allein aus dem Haus. «Ich muss nach vorne schauen, ich weiss. Aber ich kann es nicht vergessen.»