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Bolt greift Uber an Preiskampf im Zürcher Taxiwesen lanciert

Mit Bolt drängt ein neuer Anbieter ins Zürcher Taxigeschäft. Seine günstigen Fahrpreise haben aber eine Schattenseite.

In der Taxibranche kommt es zu einem weiteren Preiskampf. Bereits 2016 demonstrierten in Zürich und anderen Schweizer Städten Taxiunternehmen zusammen mit der Gewerkschaft Unia gegen den Fahrdienstleister Uber. Der Vorwurf: Das US-Unternehmen halte geltende Gesetze nicht ein und gefährde mit seinem Billigangebot tausende Arbeitsplätze. Nun – fast zehn Jahre später – steht die gesamte Taxibranche erneut vor grossen Herausforderungen.

Demo-Plakat gegen Dumping von Uber vor einem Auto.
Legende: Im Juni 2016 setzten sich in Zürich zahlreiche Taxiunternehmen für ein Verbot des US-Billiganbieters Uber ein. Keystone / Ennio Leanza

Mit Bolt ist ein weiterer Anbieter ins Schweizer Taxigeschäft eingestiegen und setzt mit Tiefstpreisen nicht nur Zürcher Taxis, sondern sogar den US-Billiganbieter Uber unter Druck.

Neuer Anbieter heizt Preiskampf an

Bekannt ist Bolt in der Schweiz bislang vor allem für seine E-Trottinetts, die mit einer Handy-App gemietet werden können. Seit einem Jahr aber hat das Unternehmen aus Estland auch die Fahrtenvermittlung ins Angebot aufgenommen.

«Wir sind zufrieden», sagt Jenovan Krishnan, der bei Bolt unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit in der Schweiz zuständig ist. Man freue sich, als zweite Plattform ein wenig Bewegung in den Fahrdienstmarkt gebracht zu haben.

E-Scooter und Fahrrad auf Gehweg abgestellt.
Legende: Einstieg ins Taxibusiness: Seit rund einem Jahr bietet Bolt neben den bekannten E-Trottinetts auch eine Fahrtenvermittlung an. Keystone / Christian Beutler

Konkrete Zahlen will Bolt nicht nennen, und auch auf wichtige Fragen etwa zu den Arbeitsbedingungen liefert die Firma nur vage Antworten. Gemäss Bundesgerichtsurteil müssen Fahrtenvermittler den Fahrern AHV-Beiträge entrichten. Für Bolt und Uber sind Fahrerinnen selbstständig erwerbend, das Gericht aber sieht sie als Angestellte.

Darauf angesprochen, sagt Jenovan Krishnan: «Wir als Bolt haben dazugelernt und das Geschäftsmodell angepasst.» Wichtig zu betonen sei, dass Fahrer zu nichts gezwungen und in keine Abhängigkeit gebracht würden.

Zwölf Franken die Stunde

Für Nicole Niedermüller von der Gewerkschaft Unia ist jedoch klar, dass sich mit dem Start von Bolt die ohnehin schon prekären Arbeitsbedingungen in der Taxibranche weiter verschärft haben. «Bolt hat seine Markteinführung mit einer aggressiven Preispolitik verbunden und das hat den Taxiplatz Zürich durchgeschüttelt.»

Bolt bezahlt keine Beiträge für die AHV.
Autor: Nicole Niedermüller Gewerkschaft Unia

Die tiefen Preise dürften die Kundschaft zwar freuen, aber Niedermüller gibt zu bedenken, dass diese nur zustande kämen, weil die Löhne in der Taxibranche sehr tief seien. Ein Lohn von zwölf Franken die Stunde sei keine Seltenheit.

«Die Taxibranche ist eine Tiefstlohnbranche», so Niedermüller. «Selbstständige Chauffeure kommen auch bei einer vollen Auslastung in der Regel nur auf Löhne bis 4000 Franken.» Die Unia geht davon aus, dass jeder zweite Taxifahrer auf Sozialhilfe angewiesen wäre, um über die Runden zu kommen.

Wie ist die Situation? Fünf Fragen an den Taxifahrer

Box aufklappen Box zuklappen
Mann mit Sonnenbrille lehnt an weissem Taxi.
Legende: Cem, der nur mit seinem Vornamen erwähnt werden will, ist nicht einverstanden mit den Bedingungen bei den Plattformen Bolt und Uber. SRF / Nicolas Hofmänner

Cem arbeitet seit mehreren Jahren als Taxifahrer in der Stadt Zürich. Zusätzlich nutzt er auch die Fahrtenvermittlungsplattformen von Uber und Bolt.

SRF News: Wie viel verdient man als Taxifahrer?

Cem: Wenn ich neun Stunden durchgehend fahre, komme ich vielleicht auf 300 Franken. Man muss aber auch bedenken: Das ist ohne meine eigenen Kosten, Versicherungskosten etwa. Wenn man das alles abzieht, inklusive Steuern, habe ich am Schluss 150 Franken verdient. Das sind keine 20 Franken die Stunde.

Fühlen Sie sich als Fahrer ausgenutzt?

Wir Fahrer werden auf jeden Fall ausgenutzt. Ganz böse gesagt ist das moderne Sklaverei, was bei Uber und Bolt passiert. Und das geht auch auf die Psyche. Jedes Mal, wenn ich eine Auszeit nehme und etwas Zeit mit meiner Tochter verbringe, denke ich, ich könnte jetzt eigentlich auch Geld verdienen. Wenn man nicht arbeitet, verdient man nicht.

Wo sind die Arbeitsbedingungen besser? Bolt oder Uber?

Wir haben von beiden keine Sozialleistungen, von Bolt noch weniger als bei Uber, weil Uber ja vor Gericht war. Die Arbeitsbedingungen sind eigentlich bei beiden gleich.

Was muss passieren, um die Situation zu verbessern?

Wenn man Uber und Bolt nicht verbieten kann, dann sollte man im Kanton Zürich einen Mindestpreis einführen. Ich denke da an drei Franken pro Kilometer. Das wäre ein Preis, um alle Kosten decken und davon leben zu können. Denn mit dem Taxi von A nach B gefahren zu werden, ist ein Luxus. Deshalb muss es einen Mindestpreis geben.

Sie kritisieren Uber und Bolt, trotzdem nutzen Sie beide Plattformen. Warum?

Das Taxigewerbe läuft nicht mehr so wie früher. Ich nutze beide Plattformen, um durchgehend besetzt zu sein. So fahre ich meine neun Stunden durch und verdiene etwas. Aber es reicht natürlich nicht aus.

Weiter sagt Niedermüller: «Bolt weigert sich, seinen Pflichten als Arbeitgeber nachzukommen. Das heisst: Die Fahrerinnen und Fahrer sind nicht bei den Sozialversicherungssystemen angemeldet und Bolt bezahlt keine Beiträge für die AHV.» Niedermüller fordert den Kanton deshalb auf, die Arbeitsbedingungen zu kontrollieren.

Verfahren beim Kanton Zürich laufen

Darauf angesprochen, teilt die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion mit, dass das Bundesgerichtsurteil von 2023 im Kanton Zürich umgesetzt werde. Löhne von Fahrerinnen würden überprüft – genauso wie die Einhaltung der Melde- und Bewilligungspflichten in den Bereichen Ausländer-, Quellensteuer- und Sozialversicherungsrecht.

Die Volkswirtschaftsdirektion spricht in ihren Antworten allerdings nur vom Fahrdienst Uber. Wie die Situation bei Bolt aussieht, bleibt demnach offen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 7.4.2025, 17:30 Uhr ; 

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