Von wegen gemächliches Wallis: In schier unfassbarem Tempo baut Lonza sein Werk in Visp aus. Die Pandemie hat dem Pharmahersteller zusätzlichen Schub gegeben. In den riesigen Ibex-Komplexen produziert Lonza den Wirkstoff für den Corona-Impfstoff von Moderna. Eine Milliarde Franken wurde in den letzten drei Jahren investiert. Aber wie wirkt sich das starke Wachstum auf die 8100-Seelen-Gemeinde aus?
Der Boom hat Kehrseiten. Jüngstes Beispiel: Das Biopharma-Unternehmen benötigt Unmengen an Trinkwasser. Deswegen drohte Lonza und der Gemeinde Visp das Wasser knapp zu werden. Nun ist innert kürzester Zeit eine zehn Kilometer lange Wasserleitung aus dem Gredetsch-Tal nach Visp gezogen worden. «Lonza brauchte bislang gleich viel Wasser wie das Dorf selbst. Bald ist der Verbrauch doppelt oder dreimal so hoch. Das ist immens», sagt Gemeindepräsident Niklaus Furger. Die Hälfte der zehn Millionen teuren Wasser-Pipeline zahlt Lonza selbst.
Expats trinken Bier statt Wein auf dem «Pürumärt»
Die Wasserleitung zeigt exemplarisch die gegenseitige Abhängigkeit von Visp und Lonza, die «Symbiose», wie es Furger ausdrückt. Lonza ist mit Abstand grösste Arbeitgeberin in der Region. 2000 Jobs hat Lonza alleine in den zwei letzten Jahren geschaffen. Dementsprechend viele Expats sind in das Oberwallis gezogen.
Klar ist mit den Expats ein vehementer Wandel im Gang. Aber wir spüren keine negative Stimmung bei der Bevölkerung.
Diese brauchen ein Dach über dem Kopf: Weil der Immobilienmarkt ausgetrochnet ist, sind alleine 400 Mietwohnungen im Bau – die Mietpreise steigen rasant. Ebenso hat Visp ein Parkplatzproblem. «Die Gratis-Plätze sind plötzlich alle voll, weil Lonza-Mitarbeitende von dort mit dem Trottinett ins Werk fahren», so Furger weiter.
Der Lonza-Boom verändert das Leben in der Mini-Metropole. Auf dem «Püürumärt», wo am Freitagabend Visperinnen und Visper den Start ins Wochenende feiern, hört man statt «Walliserdiitsch» vermehrt Englisch sprechende Personen. Diese trinken weniger lokalen Wein, dafür umso mehr Bier. «Klar ist eine vehemente Transformation im Gang. Aber ich spüre keineswegs eine negative Stimmung bei den Leuten. Visp ist sich seit jeher gewohnt, Leute zu integrieren», so Furger.
Der Lohn für die Gemeinde kommt später
Bei der Lonza ist man sich bewusst, dass man punkto Expansion ein hohes Tempo anschlägt. Auch für die Gemeinde. «Das ist für alle eine Herausforderung», erklärt Renzo Cicillini, Standortleiter der Lonza in Visp. Das Wallis sei jedoch viel dynamischer als angenommen. «Viele Einheimische machen mit ihrer Berglermentalität häufig Unmögliches möglich». Das Wachstum werde sich zudem wieder stabilisieren.
Die Einheimischen machen mit ihrer Berglermentalität häufig Unmögliches möglich.
Trotz des Wachstums von Lonza ist die Gemeinde nicht auf Rosen gebettet. Visp rechnet heuer mit roten Zahlen bei der Gemeinderechnung. Der Konzerngewinn wird am Lonza-Hauptsitz in Basel versteuert. Im Wallis schlagen die Investitionen zu Buche, die die Firma von den Steuern abziehen kann. «Den Erfolg wird man später sehen», so Cicillini. Politikerinnen und Politiker würden in Visp glücklicherweise nicht nur in Vierjahresperioden denken. «Die denken nachhaltig. Und nur so ist man gemeinsam erfolgreich», bilanziert der Walliser.