In Grossbritannien steigen die Fallzahlen wieder leicht, es geht die Sorge um vor einer neuen Welle – trotz rascher Impfkampagne. Schuld ist die Delta-Variante des Virus, vormals als indische Variante bekannt, die viel ansteckender ist als alle bisherigen Varianten.
Es könnte von Nachteil sein, dass die Briten darauf gesetzt haben, möglichst vielen Menschen eine erste Impfung zu verabreichen und mit der zweiten Dosis zuzuwarten, sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
SRF News: Nützt eine Impfung auch gegen die Delta-Variante des Coronavirus?
Katrin Zöfel: Mehrere neue Studien deuten darauf hin, dass es einen spürbaren Unterschied macht, ob jemand bloss eine Impfdosis erhalten hat oder bereits zwei. Mit nur einer Dosis ist man offenbar deutlich schlechter gegen Delta geschützt als gegen ältere Corona-Varianten. Nun hat man in Grossbritannien von Anfang an stark darauf gesetzt, zuerst möglichst viele Menschen mit einer Impfdosis zu versorgen – deshalb haben dort viele Menschen bis heute erst eine Dosis erhalten. Das gibt jetzt Anlass zur Sorge.
Viele Briten haben erst eine Dosis erhalten – das gibt jetzt Anlass zur Sorge.
Für den aktuellen Anstieg der Infektionszahlen spielt aber auch eine Rolle, dass die Virusvariante aus Indien in Bevölkerungsgruppen eingeschleppt wurde, die weniger gut als andere von Impfungen erreicht wurden. Und auch wenn Grossbritannien beim Impfen insgesamt schon sehr weit ist: Viele Menschen sind immer noch nicht immun – das alles zusammen genommen reicht, um die Fallzahlen wieder steigen zu lassen. Je nachdem, wie viel Raum man dem Virus jetzt lässt, ist eine dritte Ansteckungswelle in Grossbritannien möglich.
Muss sich auch die Schweiz vor der Delta-Virusvariante fürchten?
Delta ist zwischen 30 und 70 Prozent ansteckender als die britische Variante. Wer also noch nicht immun ist – sei es durch Impfung oder nach durchgemachter Infektion –, den wird das Virus leichter erwischen, wenn die indische Variante hier so richtig ankommt. Es werden im gleichen Zeitraum, mit den gleichen Massnahmen mehr Menschen an Covid-19 erkranken, als das sonst der Fall gewesen wäre.
Eine doppelte Impfung schützt auch gegen die Delta-Variante gut.
Doch laut aktuellem Wissensstand nützt die doppelte Impfung auch gegen Delta gut, allenfalls wird es eine weitere Auffrisch-Impfung brauchen. Es könnte sich jetzt auszahlen, dass in der Schweiz die Strategie verfolgt wurde, dass alle Geimpften rasch die zweite Impfung erhalten.
Könnte es sein, dass das Virus schneller mutiert als wir mit Impfen nachkommen und eine Variante entsteht, die man nicht mehr mit Impfen in den Griff bekommt?
Die Wissenschaft ist sich derzeit nicht einig, wie wandlungsfähig SARS-CoV-2 noch ist. Die einen sagen, das Virus könne noch viele Überraschungen auf Lager haben, die anderen glauben, dass das Virus jetzt schon eine Art Optimum erreicht hat. Für letzteres spricht, dass alle bisher als besorgniserregend aufgetauchten Varianten ähnlich funktionieren und an ähnlichen Stellen im Erbgut mutiert sind – wenn sich das Virus immer das gleiche einfallen lässt, dann fällt ihm wohl auch nichts anderes mehr ein, das wäre der Gedanke.
Das Virus könnte sein Optimum bereits erreicht haben.
Viele Fachleute gehen im Übrigen davon aus, dass man nicht vor allem die eine, fiese Variante fürchten muss, die alle Impfungen zunichtemacht, sondern dass das eher graduell laufen wird: immer wieder neue Varianten, die dem Immunschutz jeweils etwas besser ausweichen können – das ergibt dann so eine Art zähes Tauziehen zwischen der Immunität vieler Menschen auf der einen Seite und neuen, angepassten Virusvarianten.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.