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Bürgerpanel Genfer Stimmberechtigte verfassen eigenes Abstimmungsbüchlein

Zu kompliziert und zu umfangreich: Genfer Stimmbürger verfassen für die Wahlen im November eine einfachere Version der Abstimmungsunterlagen.

Ein letzter Effort für die 21 Bürgerinnen und Bürger: Am Sonntag kurz vor 9 Uhr morgens sind sie für den letzten Arbeitstag an den Abstimmungsinformationen eingetroffen. An einem ersten Wochenende wurde die Vorlage studiert. Nun muss der Bürgerbrief dazu fertig werden. Daran schreiben völlig unterschiedliche Menschen. 

Wenn den Leuten das Thema zu kompliziert ist, stimmen sie auch nicht ab.
Autor: Alexis Ndjoh Jurastudent

Zu ihnen gehört Julie, Betreuerin in einer Tagesstätte. Sie wähle eigentlich nie, weil sie davon zu wenig verstehe. Sie arbeitet in der gleichen Gruppe wie Alexis. Er geht regelmässig wählen, ist sich aber mit Julie einig: Das Abstimmungsbüchlein ist jeweils zu kompliziert. «Wenn den Leuten das Thema zu kompliziert ist, stimmen sie auch nicht ab.»

Ihr Bürgerpanel behandelt eine politische Nachwirkung der Affäre um Pierre Maudet, über die im November abgestimmt wird. Der umstrittene Regierungsrat Maudet sass vor seinem Rücktritt acht Jahre in der Regierung; und hat deshalb Anrecht auf eine lebenslange Rente.

Volksinitiative der Grünliberalen

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Die Genfer Grünliberalen wollen eine definitive lebenslange Rente in Zukunft nicht mehr zulassen. Sie reichten eine Volksinitiative ein, mit dem Vorschlag einer kurzen Abgangsentschädigung während maximal zwei Jahren. Das Genfer Kantonsparlament arbeitete dazu einen Gegenvorschlag mit einer längeren Übergangszeit aus, weil manche Regierungsmitglieder nicht sofort eine neue Stelle finden.

Das Thema ist technisch und geht in Pensionskassenfragen wie Leistungs- und Beitragsprimat hinein. Das stellt Jusstudent Alexis vor Probleme: «Sie können nur einen Teil ihrer Rente mitnehmen. Aber das versteht niemand, der die zwei Wochenenden mit uns nicht mitgemacht hat.»

Formulieren für Herr und Frau Jedermann. Genau das soll das Bürgerpanel machen. Initiiert hat es der Politikwissenschafter Nenad Stojanovic von der Universität Genf. Zunächst wurde per Zufallsprinzip eine grössere Personengruppe angeschrieben. Von denen, die antworteten, wurden 21 Personen ausgesucht, die möglichst die Gesellschaft abbilden sollen.

Mehrere Personen sitzen an Tischen und halten grüne Zettel in die Luft.
Legende: Kriterien für die Personengruppe waren das eigene Stimmverhalten, Bildung, Alter und Geschlecht, erklärt Nenad Stojanovic. SRF

Solche Bürgerbriefe, die mit den Abstimmungsunterlagen verschickt werden, wurden noch nie auf Kantonsebene verfasst. Bislang gibt es erst eine Erfahrung aus Sitten. Die Auswertungen in der Stadt zeigten, dass der Bürgerbrief die Stimmabsicht erhöht. Die Stimmbeteiligung ging aber nur marginal hoch.

Den ganzen Sonntag über diskutiert die Gruppe weiter. Und einigt sich schliesslich auf drei A4-Seiten. Die Komplexität der Vorlage mit Initiative und Gegenvorschlag brachte die Gruppe zwar an die Grenzen – das Resultat überzeugt den Gymnasiallehrer Stücklin aber: «Das Resultat überrascht mich. Ich dachte nicht, dass wir uns einigen können, unter Personen mit so unterschiedlichem Hintergrund.»

Drei Teilnehmende des Bürgerpanels

Zum zweiten Mal auf Kantonsebene wird der Bürgerbrief im Frühling bei den Abstimmungen im Aargau ausprobiert.

SRF 4 News, Rendez-vous, 20.09.2021, 12:30 Uhr

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