- Trotz leichter Verluste erhält die «Ehe für alle» weiterhin deutliche Zustimmungswerte. 63 Prozent sagen Ja zur Vorlage, 35 Prozent Nein.
- Über den Kampagnenverlauf gelang es der Gegnerschaft jedoch Boden gut zu machen.
- Eine Ablehnung der «Ehe für alle» am 26. September wäre aber eine Überraschung.
«Die Frage der Regenbogenfamilien liefert Stoff für Diskussionen», lautete das Verdikt von Politologin Martina Mousson nach der ersten SRG-Umfrage zur «Ehe für alle». Und tatsächlich kreiste die Debatte an Podiumsdiskussionen, im Blätterwald und auf den sozialen Medien zuletzt um ebendiese Frage: Sollen gleichgeschlechtliche Paare künftig Kinder adoptieren oder per Samenspende zeugen dürfen?
Dabei finden satte 70 Prozent ganz grundsätzlich: Die Zeit ist reif für die «Ehe für alle». «Diese wird weitum als überfälliger Schritt Richtung Gleichstellung anerkannt, und diese Haltung befördert ein Ja zur konkreten Gesetzesvorlage», schreibt das Forschungsinstitut gfs.bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat.
Kontroverser wird allerdings die Frage des Kindeswohls diskutiert: Ein Nein wird am stärksten von der Ansicht getragen, dass einzig die Verbindung von Mann und Frau die Fähigkeit zur Weitergabe von Leben habe und daher zu schützen sei.
Freikirchler und SVP-Basis dagegen
Ungewöhnlich bei einer Vorlage, die von Bundesrat und Parlament unterstützt wird: Im Kampagnenverlauf ist die Zustimmung zur Initiative von 69 auf 63 Prozent gesunken. «Die gegnerische Kampagne arbeitet mit sehr starken und emotionalen Sujets, das hat doch den einen oder anderen berührt», sagt Mousson zu dieser atypischen Entwicklung.
Insbesondere Menschen, die christlichen Freikirchen angehören, standen der Vorlage von Beginn weg eindeutig ablehnend gegenüber und tun das auch weiterhin. Die «Ehe für alle» sei denn auch ganz klar eine Konfessionsfrage, sagt die gfs-Forscherin.
Im Parteienspektrum ist die Vorlage insgesamt breit abgestützt – mit einer Ausnahme: Trotz parteiinternem Pro-Komitee haben die SVP-Delegierten die Nein-Parole zur «Ehe für alle» herausgegeben. Das entspricht offensichtlich auch der Befindlichkeit an der Basis.
Skepsis erreicht politische Mitte
Die gegnerischen Argumente überzeugen nun etwas breiter als noch vor einem Monat. Die Kinder- und Samenspendefrage polarisiere stark, sagt Mousson. Die Bedenken erreichen auch die FDP- und Mitte-Anhängerschaft. «Es gibt eine Polemik rund um diese Fragen, und diese Kampagne der Gegner hat Strahlkraft bis in die politische Mitte.»
Dazu kommt ein Generationengraben: Die jüngere Generation der Stimmberechtigten stimmt der «Ehe für alle» mit ganzen 75 Prozent zu, bei der älteren Generation sind nur 53 Prozent dafür. Auch Frauen unterstützen das Anliegen sehr viel deutlicher als Männer (71 Prozent gegenüber 56 Prozent).
Trotz der Skepsis in gewissen Bevölkerungsgruppen: Die «Ehe für alle» ist auf Kurs. Ganz ausschliessen lässt sich ein Nein am 26. September zwar nicht. «Die Chancen für ein Ja sind aber sehr viel besser», bilanziert Mousson.