Dass bekannt ist, dass die Schweiz ihren ersten Fall mit der indischen Variante hat, liegt nicht zuletzt am Handeln des Kantonsarztes von Solothurn. Er entschied einen Infektionsfall Ende März auf neue, potenziell gefährliche Varianten zu prüfen. Als er kurz darauf den Bescheid bekam, dass es sich um eine neue Variante handelte, löste er ein verstärktes Contact Tracing aus und konnte laut eigenen Angaben die Übertragungskette auch unterbrechen.
Erst Wochen später war klar, um welche Variante es sich handelte: eben die indische, sagt Virenforscherin Tanja Stadler von der ETH Zürich.
Verfolgung durch Gentests und Contact Tracing
So funktioniert die schnelle Virus-Überwachung, ein relativ simpler Gentest prüft auf Mutationen, die charakteristisch sind für neue Varianten: «Zum einen auf Mutationen der Variante aus Grossbritannien, zum anderen aber auch auf die anderen Varianten aus Südafrika, Brasilien oder Indien», so Stadler.
Auf diesen Gentests, die innerhalb von 24 Stunden ein Ergebnis liefern, fusst die schnelle Entscheidung für vertieftes, aggressiveres Contact Tracing.
Dieses Vorgehen war bis vor kurzem schweizweit üblich. Doch das gilt nicht mehr, sagt Laurent Kaiser von der Universität Genf: «Die Entscheidung, ob es Gentests oder vertieftes Contact Tracing gibt, liegt bei den Kantonen.»
Kaiser leitet eines der Labore, die im Kanton Genf genetische Überwachung betreiben. Der schnelle Gen-Check auf Varianten mache nur Sinn, wenn die kantonalen Behörden darauf auch mit vertieftem Contact Tracing reagieren. Diesen Aufwand wollen nicht mehr alle Kantone betreiben.
Der schnelle Test auf Varianten wird deshalb zurzeit nicht mehr vom Bund finanziert.
Kantone machen auf eigene Faust weiter
Das Bundesamt für Gesundheit schreibt auf Anfrage: «Wenn Kantonsärzte und Ärztinnen und kantonale Contact Tracing-Teams z.B. für Immun-Escape-Varianten wie die südafrikanische und die indische Variante spezifische Massnahmen ergreifen möchten, können ein solcher PCR oder andere geeignete Verfahren wieder eingeführt und finanziert werden.»
Mit anderen Worten: Die Kantone, die den Aufwand für Gentests und vertieftes Contact Tracing für gerechtfertigt halten, machen auf eigene Initiative weiter, unter anderem der Kanton Genf.
Die Frage ist, ob sich der Aufwand lohnt. Als die britische Variante Ende Jahr 2020 in der Schweiz ankam, konnte man nur dabei zusehen, wie sie sich ausbreitete. Aufhalten konnte man sie nicht.
Das Wissen hilft, die richtigen Entscheide zu treffen.
Laurent Kaiser sagt, umsonst war der Aufwand trotzdem nicht: «Wenn man weiss, dass man eine Variante vor Ort hat, die gut 50 Prozent ansteckender ist, hilft das, die richtigen gesundheitspolitischen Massnahmen zu treffen.» Der Entscheid des Bundes Mitte Januar die Massnahmen zu verschärfen, wäre zum Beispiel ohne Wissen über die britische Variante anders ausgefallen.
Was heisst das für die Zukunft? Laurent Kaiser skizziert ein Beispiel: Wenn es in den nächsten Wochen in Altersheimen Ausbrüche gibt und die vor allem durch immune Varianten ausgelöst würden, wisse man, dass gegen sie der Impfschutz tatsächlich schwach sei. Zudem wisse man ebenfalls, dass Altersheime weiterhin gefährdet seien, und es sich lohne die Ausbreitung gerade dieser Varianten so lange es geht zu bremsen. Mit Gen-Checks und Contact Tracing.