Nach neuesten Angaben der Regionalpolizei Mendrisiotto rückte die Polizei in Chiasso seit Anfang Jahr 584 Mal wegen Asylsuchender aus. Der gravierendste Vorfall ereignete sich Anfang Oktober: Zwei Asylsuchenden aus Algerien wird vorgeworfen, sich mutmasslich an einer Minderjährigen sexuell vergangen zu haben. Sie sitzen in Untersuchungshaft.
Neben diesem gravierenden Fall wurde die Polizei gut 130 Mal wegen Diebstählen, etwa von Handys, Kleingeld oder Fahrrädern, gerufen. Ein Drittel dieser Einsätze erfolgte in den Unterkünften des Bundesasylzentrums Chiasso. Die Polizei interveniere mehrheitlich in den Zentren. Davon bekomme die Bevölkerung wenig mit, sagt Christian Musso, Vizekommandant der Regionalpolizei Mendrisiotto, auf Anfrage von SRF.
Musso: «Die meisten Vorfälle ereignen sich nicht unbedingt im Zentrum der Stadt oder dort, wo es viele Leute hat. Viele Vergehen erfolgen direkt im Asylzentrum oder in der unmittelbaren Umgebung.» In über 300 Polizeieinsätzen ging es nur um einfache Personenkontrollen im Zentrum oder um das Begleiten von Asylsuchenden.
Die meisten verhalten sich korrekt
Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) halten sich ungefähr fünf Prozent der Asylsuchenden nicht an die Regeln. Diese prägen das negative Bild der Migranten in Chiasso. Das falle auf alle zurück, sagt ein Asylsuchender aus Kamerun: «Wer aus dem Ausland kommt, muss sich zu benehmen wissen, die Gesetze des Landes respektieren. Wenn du hier Ärger verursachst, kannst du nicht bleiben.»
Es seien oft dieselben Personen, welche die Polizei beschäftigten, sagt Sonia Colombo-Regazzoni (FDP), Stadträtin von Chiasso. Sie kritisiert, dass fehlbare Asylsuchende bei leichteren Vergehen nicht richtig sanktioniert würden: «Sie werden zwar ins Asylzentrum gebracht, sind aber nach zwei Stunden wieder auf der Strasse.»
Seit über einem Jahr hat Chiasso ein grosses Problem.
Gianna Riva von der Gruppe «Mendrisiotto Regione Aperta» wehrt sich gegen das schlechte Image der Asylsuchenden in Chiasso. Es sei falsch, wenn man von wenigen fehlbaren Asylsuchenden auf alle schliesse, sagt sie. Sie gibt zu bedenken, dass sich viele in einer schwierigen Lage befänden. Und die engen Platzverhältnisse in der Notunterkunft beim Bahnhof seien ein Grund, dass die Polizei oft einschreiten müsse.
Sicherheitsvorsteherin Colombo-Regazzoni sagt, dass sich die Lage in Chiasso zuspitze: «Seit über einem Jahr hat Chiasso ein grosses Problem», sagt sie. Ältere Menschen trauten sich abends im Dunkeln nicht mehr auf die Strasse. Gewerbler würden bestohlen. Frauen fühlten sich nicht mehr sicher. Die Stadt habe zu viele Asylsuchende und das Zentrum sei unsicher geworden.
Die Situation ist nicht schlimm. Objektiv gesehen, ist die Stadt sicher.
Polizei-Vizekommandant Christian Musso schätzt die Situation anders ein. Chiasso sei keine unsichere Stadt, sagt er. «Die Situation ist nicht schlimm. Objektiv gesehen, ist die Stadt sicher.» Und schiebt dann nach: «Klar, wenn man ein Problem mit einem Asylsuchenden hat – wenn man bestohlen wird, dann ist das ärgerlich.» Und natürlich sei die Polizei stark gefordert mit den vielen Polizeieinsätzen, die von Asylsuchenden ausgelöst würden.